Remedy Entertainment haben sich über die letzten Jahrzehnte einen renommierten Namen erarbeitet. Die Finnen und Erfinder der Bullet-Time sind ebenso bekannt für ihr eher abstruses, mysteriöses Storytelling (Alan Wake, Quantum Break) wie für knifflige Shooter-Action (Max Payne). Und genau diese Stärken findet man auch in ihrem neuesten Werk Control.
Das Federal Bureau of Control (FBC) ist normalerweise dafür verantwortlich, sich übernatürlicher oder ausserirdischer Phänomene anzunehmen, diese zu analysieren und die Bevölkerung vor den davon ausgehenden Gefahren zu schützen. Was passiert aber, wenn das FBC selbst zur Gefahr wird, sagen wir mal, durch ein fehlgeschlagenes Experiment? Zugegeben, die Geschichte rund um eine ausserirdische Macht und der neuen Direktorin des FBC, Jesse Faden, klingt eher altbacken und vorhersehbar und im Grunde genommen ist sie das auch. Sie wird von Remedy aber im gewohnt wendungsreichen und mysteriösen Stil erzählt und bleibt dadurch bis zum Schluss spannend - wenn auch leicht verwirrend.
Interessant ist, dass das komplette Spiel in nur einem einzigen Gebäude statt findet, dem "Oldest House", einem unscheinbaren Wolkenkratzer, dessen Inneres jedoch viel grösser ist, als es von aussen den Anschein hat. Es ist ein Ort der ständigen Wandlung und Veränderung. Durch die erwähnten, fehlgeschlagenen Experimente öffnen sich Dimensions-Tore und das Oldest House wird fortan von einer übernatürlichen Macht kontrolliert, die jeglichen Gesetzen von Raum und Zeit widerspricht. Dadurch verändern sich die Räumlichkeiten ständig. Ein interessantes Konzept, auch vom Designstandpunkt her, denn so konnten sich die Entwickler einige echt abgefahrene Szenarien ausdenken, die völlig losgelöst von irdischen Normen funktionieren und für den Spieler einige Überraschungen parat halten. Ein Paranormaler-Spielplatz! Mehr will ich dazu eigentlich gar nicht verraten, man muss es selbst erlebt haben. Das Spiel ist "weird - but in a good way".
Control hat eine Semi-offene Spielewelt, die im Gegensatz zu Remedys vorherigen, linearen Werken frei erforscht werden darf. Einige Bereiche des Oldest House sind aber nicht sofort zugänglich, sondern setzen spezielle Fähigkeiten oder Schlüsselkarten voraus. Bereits besuchte Orte erreichen wir mit einer Schnellreise-Funktion via zuvor eroberten Kontrollpunkten. Diese Kontrollpunkte dienen auch als Spawn-Point, sollte man mal ins Gras beissen. Ausserdem holen wir uns hier Upgrades, neue Waffen, Side-Missions oder füllen die Lebensenergie komplett auf. Von besiegten Feinden erhalten wir unter Anderem wichtige Ressourcen, die wir für Upgrades der Waffen und Attribute benötigen. Unterwegs treffen wir auf freundlich gesinnte NPCs, labern eine Runde und starten so neue Missionen oder Neben-Quests. Ab und zu muss man auch ein Puzzle lösen um weiter zu kommen. Diese Knobeleien können schon mal knackig sein, zumal einige der Mechanismen jeglicher Logik widersprechen, was dem Umstand geschuldet ist, dass wir es hier eben mit "übernatürlichen Dimensionen" zu tun haben. Eine gute Beobachtungsgabe ist bei vielen Rätseln Voraussetzung. Die vielen Schiessereien und Scharmützel werden dadurch immerhin angenehm ausgebremst, was mir persönlich ganz gut gefallen hat.
Wie in Remedys vorherigen Werken spielen wir wieder aus der Third-Person Perspektive. Jesse trägt eine ganz spezielle, übernatürliche Dienstwaffe bei sich. Sie kann sich auf Knopfdruck von einer Pistole in eine Shotgun, ein MG oder ein Sniper-Rifle verwandeln. Die Dienstwaffe (re-)generiert Munition automatisch, man muss sich also keine Sorgen um Munition machen - höchstens um einen kleinen Cooldown. Jesse kann sich aber auch mit den Fäusten und ihren "Jedi-Fähigkeiten" prima wehren, darunter Telekinese, Levitation, ein Schild und die Fähigkeit, bestimmte Feinde zu kontrollieren. Diese Fähigkeiten werden im Laufe des Spiels nach und nach freigeschalten und lassen sich - ebenso wie die Dienstwaffe - in einem Fähigkeiten-Baum aufwerten. Alle Aspekte lassen sich zusätzlich noch durch Modifikationen auf- bzw. umwerten und an den persönlichen Spielstil anpassen. Diese Mods lassen sich sogar selbst herstellen, wobei ich da jetzt nie meine wertvollen Ressourcen verschwendet habe. Man findet genügend Mods bei gefallenen Gegnern...
Bei den Feinden handelt es sich übrigens hauptsächlich um menschliche Agenten des FBC, die in Klassen unterteilt sind und von den "Hiss" - so der Name der ausserirdischen Lebensform - übernommen wurden. Es gibt einfache Soldaten, Scharfschützen, Typen mit Granatwerfern oder schwer gepanzerte Mini-Gun Träger. Einige davon können sogar fliegen und bewerfen Jesse mit Stühlen, Computern und eben allem, was gerade in der Gegend herum steht. Ab und zu tauchen mächtige Bossgegner auf, die über extra fette Energieleisten verfügen und richtig Rambazamba machen. Die Kämpfe sind der Knaller und machen eine Menge Spass, was vor allem an Jesses übernatürlichen Fähigkeiten liegt. Man fühlt sich wie ein mächtiger Jedi-Meister mit Knarren, das hat was! Hier sei auch die tolle Physik-Engine von Control erwähnt. Nahezu alle Gegenstände lassen sich manipulieren, fliegen durch die Gegend oder gehen zu Bruch. Das Effekt-Gewitter ist beachtlich und zwingt die betagte Grafik-Engine ab und zu in die Knie.
Das bringt mich zur technischen Seite des Spiels. Wie schon in vorherigen Spielen hat es Remedy leider nicht geschafft, ein sauberes, fehlerfreies Spiel abzuliefern - und ja, den Day-One Patch hatten wir installiert. Wie schon bei Quantum Break kommt es auch hier immer wieder zu heftigen Rucklern und Slowdowns oder Texturen, die nur sehr spät geladen werden. Abgesehen von den beeindruckenden Spezialeffekten und toll animierten Gesichtern ist das Spiel keine Schönheit. Es kam auch vor, dass die KI von Gegnern und NPCs komplett ausstieg, und alle nur noch in T-Stellung verharrten. Beim Aufrufen der Karte wird regelmässig das Gebäude-Overlay nicht angezeigt, was die Orientierung extrem schwierig macht. Selbst wenn die Karte funktioniert ist sie ziemlich unbrauchbar, zumal sie nicht anzeigt wo man schon war und wo man als nächstes hin muss. Ebenso fehlen Missions- oder Objectives-Marker, dies aber wohl mit Absicht, weil es die Erkundung fördert. Bei einem Spiel mit Metroidvania Level-Design wären ein paar Hilfen mehr trotzdem angebracht gewesen, um unnötige Laufwege zu vermeiden.
Fazit: Schräg, aber ziemlich gut! Control ist spannend inszeniert, sehr atmosphärisch und spielt sich äusserst spassig. Ich fühle mich regelmässig wie ein Jedi auf Steroide (oder einer dieser X-Men Typen). Besonders erwähnenswert: Die wahnsinns Spezial-Effekte, eine beeindruckende Physik-Engine und die toll animierten Gesichter. Die technischen Patzer hingegen hätten nicht sein müssen. KI-Totalausfälle, eingefrorene NPCs, spät ladende Texturen oder eine Karte, die nie so funktioniert wie sie sollte, nagen regelmässig und unnötig an meinem fragilen Nervenkostüm. Das ist schade, denn ansonsten hat Remedy wieder eine erfrischende Singleplayer-Erfahrung abgeliefert, die mich durch die Bahn gut unterhalten hat - gerade auch von der Story her. Dass die Gegner teilweise wieder respawnen hat mich nicht gestört, im Gegenteil. Ich bin gerne wieder an alte Orte gereist, nur um noch ein bisschen Ressourcen für das nächste Upgrade zu farmen oder um einfach noch die letzten Collectables wie Dokumente, Videoaufnahmen oder Tonbänder zu finden.
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