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The(G)net Review: Tell Me Why

Muttermord, Telepathie und Transsexualität. Die Life is Strange Macher Dontnod wagen sich mit ihrem neusten, Xbox-exklusiven Abenteuer um ein Zwillingspaar in bisher unbeschrittene Bereiche der interaktiven Storyspiele.



10 Jahre ist es her, seit sich die Zwillinge Tyler und Alys das letzte Mal gesehen haben. Durch einen Akt der Selbstverteidgung tötete Tyler seine Mutter und wurde von den Behörden danach von seiner Schwester getrennt. Im darauf folgenden Jahrzehnt durchlebte Tyler nicht nur eine schwere Zeit, sondern wechselte auch sein Geschlecht. Aus dem kleinen Mädchen wurde ein junger Mann. Eine Thematik die bisher noch nie wirklich in Videospielen angesprochen wurde.


Die Story beginnt mit der Wiedervereinigung der Geschwister im verschlafenen Städtchen Redmond. Das alte Elternhaus steht zum Verkauf. Tyler und Alyson reisen zurück zu ihrem Geburtsort, um die gemeinsamen Erinnerung noch ein letztes Mal aufleben zu lassen. Im klassischen 3D-Point and Click Stil manövriert ihr durch die nordamerikanische Kulisse, begutachtet Gegenstände, löst kleine Rätsel, quatscht mit NPCs und geht dem Mysterium um den Tod der Mutter nach.



Die Zwillinge verfügen dabei über spezielle Fähigkeiten. Sie unterhalten sich teilweise telepathisch und in gewissen Situationen aktivieren die beiden schemenhafte Rückblenden, die vergangene Erlebnisse erneut aufleben lassen und euch unter Anderem Tipps für die Puzzles geben, die aber nur für die Zwillinge sichtbar sind.


Wie schon bei Life is Strange können unsere Helden marginal die Story beeinflussen. Je nach Aktion oder Antwort ändert sich die Geschichte ein wenig, wenn auch der Grundplot stets der Gleiche bleibt. Aufgeteilt ist Tell Me Why in 3 Kapitel, in denen auch die Vergangenheit von Tyler näher beleuchtet wird, bevor sich im letzten Abschnitt die Dinge überschlagen. Mehr wollen wir nicht verraten. Erkundungsfreudige suchen in den überschaubaren Levels nach Sammelobjekten, die jedoch spielerisch keinen Einfluss auf das Gesamtgeschehen haben. Ein kompletter Durchlauf dauert zwischen 9 - 10 Stunden.



Fazit:

Spiele, die den Schwerpunkt auf die Geschichte legen, sind immer ein zweischneidiges Schwert. Ist die Story packend und mit unerwarteten Wendungen versehen, fesselt es mich stundenlang vor dem Bildschirm. Wenn aber das Narrativ ein zäher, vorhersehbarer und unspektakulärer Schwamm ist, der mehr Qual als Freude zu sein scheint, dann ist man ganz klar am Ziel vorbei geschossen.



Tell Me Why fällt leider zu oft in eben diese Kategorie. Angefangen beim Storyaufhänger mit dem Totschlag der Mutter steht der Inhalt auf dünnen Beinen. Denn man sieht schon nach dem ersten Kapitel wo die Reise hingeht. Hauptsächlich wackle ich von A nach B, um nach mehrmaligem Rumdrücken und Items sammeln in den nächsten Abschnitt zu gelangen. Das Problem von TMW ist, dass es einfach viel zu zäh voran geht. Im Gegensatz zu Konkurrenten wie The Walking Dead, Heavy Rain oder das formidable Detroit: Become Human, fehlt es hier an Straffheit, damit die Motivationskurve lange genug anhält, um des Spielers Interesse zu wecken. Ich erwarte von so einem Game jetzt nicht, dass mir alles um die Ohren fliegt oder ganze Stadtviertel zu Bruch gehen, aber mir ist das Spielprinzip hier zu mager und der latent depressive Unterton nervt nach einiger Zeit.



Während die Story vor sich hindümpelt, sind die Interaktionen mit den verschieden NCPs das Beste an Tell Me Why. Hier wird nicht einfach ein Einheitsbrei an Dialogen serviert, sondern die Protagonisten agieren sehr lebensecht und plausibel, wie man es selten gesehen hat. Man kann den Schmerz, das Leid und die Probleme von Tyler mitfühlen, wenn er auf frühere Bekannte und Weggefährten trifft und nicht jeder mit seiner Transsexualität klar kommt. Unglücklicherweise versäumte es Dontnod bei einem zweiten Durchspielen eine Skipfunktion für die langen Einspieler einzubauen. So muss man sich die ganzen Cutscenes nochmals in voller Länge anschauen. Wer da wohl wieder gepennt hat in der Q&A?



Von der technischen Seite gibt's kaum Reklamationen. Detailreichtum stand anscheinend ganz vorne auf der Agenda. Und wer Life is Strange kennt, wird mit schöneren Szenarien und tollen Locations belohnt, die zu näherem Erforschen einladen. Die Gesichtsanimationen wirken ab und zu ein wenig hölzern und gewisse Selbstgespräche unserer Helden schrammen knapp am Fremdschämen vorbei, aber im Gesamptpaket ist Tell Me Why technisch eine runde Sache. Freunde des Genres werden sicherlich Gefallen an Dontnods neuestem Produkt haben, aber für den Rest der Spielerschaft gibt es ausgefeiltere Kost, wie z.B. das bereits oben erwähnte Detroit: Become Human.




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