The(G)net Review: Captain Blood
- Sascha Böhme
- 9. Mai
- 5 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 12. Mai
Eigentlich ist Captain Blood ein Relikt. Das Hack'n Slash Piraten-Abenteuer wurde ursprünglich 2003 als Age of Pirates: Captain Blood für die erste Xbox angekündigt, dann mehrfach verschoben, später wegen Rechtsstreitigkeiten ge-cancelled, dann auf mysteriöse Weise wiederbelebt und nun 2025, nach X Engine-Wechseln, überraschend veröffentlicht. Eine Entwicklungsgeschichte, die selbst Duke Nukem Forever vor Neid erblassen lässt.

Captain Blood basiert sehr lose auf dem gleichnamigen Roman von Rafael Sabatini, der 1935 sogar verfilmt wurde (mit Errol Flynn in der Hauptrolle). Wir schlüpfen in die Stiefel des wohl männlichsten Seeräubers der Freibeuter-Geschichte. Der gute Kapitän mit dem losen Mundwerk kennt keine Gnade, säuft gern literweise Grog und umwirbt gefühlt jedes Mädchen, das ihm vor den Säbel läuft. Bei einem Angriff spanischer Truppen auf eine britische Hafenstadt wird die hübsche, vollbusige Tochter des örtlichen Magistrats entführt und unser Möchtgern-Casanova damit beauftragt, sie zu retten. Was folgt ist ein wildes Piraten-Abenteuer mit blutigen Schwert-Fights, chaotischen Schiffskämpfen und gelegentlichen Schatzsuchen.

Spielerisch ist Captain Blood ein reinrassiges Hack'n Slash, ein Genre, das ich persönlich sehr mag. Dazu braucht es nicht viel. Hier gibt's zwei Angriffsvariaten, Blocken, Greifen, Deckung, eine Ausweich-Rolle sowie ein paar Combos und Finisher. Standardfeinde lassen sich nach ein paar Treffern direkt hinrichten, fettere Brocken müssen länger bearbeitet und dann via brutalem Finisher ins Jenseits befördert werden, sobald das Totenkopf-Symbol auftaucht. Jeder der verfügbaren Finishing-Moves bringt uns einen anderen Vorteil. Entweder wir rauben dem Gegenüber die Waffe (die wir dann eine Zeitlang verwenden dürfen), prügeln ihm sein ganzes Gold aus den Taschen oder füllen unsere Wut-Leiste ein Stück weit auf. Haben wir genug "Wut" gesammelt, werden wir auf Knopfdruck für kurze Zeit unverwundbar und teilen besonders heftig aus.

QTEs (Quick-Time Events) sollen das Spielgeschehen in Schlüsselmomenten auflockern. Das macht zu Beginn noch Laune, wird aber schon bald zur nervigen Pflichtübung. Speziell dann, wenn sie urplötzlich in Cut-Scenes auftauchen. Das Zeitfenster für die korrekte Eingabe ist oft arg knapp bemessen und ein Game Over unausweichlich. Zum Glück gibt es vernünftige Checkpoints! Die meisten Attacken der Feinde lassen sich blocken. Leuchtet ein Angriff in warnendem Gelb, sollte man mittels rechtem Stick die Ausweich-Rolle nutzen. Unsere Pistole dürfen wir nach einem kurzen Cooldown beliebig oft einsetzen. Allerdings macht die nicht besonders viel Schaden. Granaten sind da schon effektiver, allerdings sind die nur für den Notfall gedacht und stehen auch nicht unbegrenzt zur Verfügung. Zu guter Letzt dürfen wir noch herumstehende Fässer oder Kisten durch die Gegend schleudern oder uns an Waffen Pick-Ups und Geschütz-Türmen bedienen.

Schatzkisten enthalten Nachschub der Verbrauchsmaterialien, Health-Kits und öfters auch eine satte Ladung Gold. Im Shop kaufen wir damit Upgrades wie z.B. neue Combos, erhöhte Kampfkraft und Gesundheit, neue Finisher und vieles mehr. Die Kämpfe sind ziemlich brutal inszeniert, spielerisch aber simpel. Zu Beginn reicht wildes Knöpfchendrücken, um die Gegner in Stücke zu säbeln. Erst im letzten Drittel des Spiels werden die Combos wirklich gefordert, weil die Schwierigkeit spürbar anzieht.

Die Action wird mit fixierten Kamerawinkeln präsentiert mit einer Grafik, die zwischen "doch, ganz nett" und "ziemlich übel" hin- und her pendelt. Wer aktuelle technische Standards erwartet, ist bei Captain Blood an der falschen Adresse. Man merkt dem Spiel sein Alter an. Levelschläuche statt Open-World, hölzerne Animationen, krude Charaktermodelle mit matschigen Texturen und fragwürdiges Gegnerverhalten sind hier an der Tagesordnung. Und trotzdem; irgendwie hat das alles einen seltsamen Reiz. Das Spiel versprüht den spröden Charme eines lang verschollenen Xbox 360 Titels, der uns in jeder Hinsicht 20 Jahre zurückversetzt. Das kann man mögen, muss man aber nicht.

Dann und wann gibt's sogar Boss-Fights, wobei ich persönlich finde, dass die ein wenig zu arg in die Länge gezogen werden. Nur Soulslike-Fans haben Spass daran einem Obermotz 5 Minuten lang an der Lebensleiste herumzuschnippeln. Immerhin dürfen wir ab und zu auch mal die Kontrolle über Peter Blood's Sidekick Walt übernehmen, der sich aber nicht massgeblich anders spielt.
Die von uns getestete PS5 Version lief stabil und absolut flüssig mit 60 FPS. Die Ladezeiten bewegen sich im Sekundenbereich. Allerdings haben sich ein paar üble Bugs mit an Bord geschlichen: Gegner clippen gerne mal durch Wände, Items schweben in der Luft, Audio-Loops und schlecht abgemischte Sprachausgabe rauben mir den Verstand. Ungünstige Kamerawinkel lassen Charaktere in Zwischensequenzen auch mal unter Deck verschwinden oder erschweren allgemein die Übersicht.

Angesichts der kruden Grafik und technischen Mängel müsste man jetzt denken, dass Captain Blood keinen Spass macht. Seltsamerweise tut es das aber. Man muss einfach mit einem bestimmten Mindset an die Sache herangehen, sich mit den Quick-Time Events arrangieren (die um die Jahrhundertwende einfach extrem "en-vogue" waren) und gelegentliche Schwierigkeitsspitzen überwinden. Die Umgebungen sind abwechslungsreich und die Möglichkeiten in den Kämpfen für das gewählte Genre erfreulich umfangreich. Hat man erst einmal ein paar Combos und Finisher freigeschalten, kämpft man sich bald wie in Trance durch die linearen Schlauchlevels. Tipp: Holt euch zuerst den Money-Finisher. Der ist zwar teuer, aber damit füllt ihr euch schnell die Taschen für weitere Upgrades!

Wirklich katastrophal sind die eingestreuten Schiffskämpfe. Zum Glück gibt's nur drei davon! Hier muss man eine bestimmte Anzahl feindlicher Fregatten zerstören, während Gegner in kleineren Booten versuchen, euer Schiff zu entern. Unsere Kanonen sind auf dem Oberdeck verteilt und wir müssen ständig zwischen den Positionen hin- und herrennen, um einen geeigneten Schusswinkel zu haben, während uns nonstop Gegner bedrängen und Kanonenkugeln mit immensem Flächenschaden um die Ohren fliegen. Ein absolut chaotisches und hektisches Treiben, das mir schnell den letzten Nerv geraubt hat.

Die wilde Karibik-Hatz dauert bis zum finalen Akt kaum mehr als 6 Stunden. Das ist gut so, denn bevor man sich allzu sehr wegen der derben Technik oder spielerischen Makos nervt oder gar langweilt, ist das Abenteuer auch schon wieder vorüber.
Fazit:
Captain Blood wirkt wie aus der Zeit gefallen. Die kuriose Mischung aus Retro-Gameplay, technischer Archäologie und (oft unfreiwilligem) Witz hat definitiv seinen Charme und einen hohen Nostalgie-Faktor, wirkt aber roh, altmodisch und teilweise auch unfertig. Kurioserweise fand ich die rund 6 Stunden lange Karibik-Reise irgendwie trotzdem faszinierend. Wie eine Zeitkapsel, die Jahrzehnte im Boden vergraben war und mir jetzt einen Blick in eine vergangene Zeit ermöglicht. Ein Vorteil war sicherlich, dass ich ein Fan kurzweiliger Arcade-Games und einem Hack'n Slash nie abgeneigt bin. Wer sich darauf einlässt wird in der verrosteten Truhe einen schrulligen Schatz entdecken, der zwar an Glanz vermissen lässt, dafür aber ein ganz besonderes Gefühl vermittelt. Ich hätte dem Spiel gerne eine bessere Note gegeben, denn mir hat Captain Blood ein Lächeln ins Gesicht gezaubert. Die altbackene Technik kann ich problemlos akzeptieren. Die technischen Mängel und die absolut hirnrissigen Schiffskämpfe hingegen nicht.

Captain Blood ist als Download für PS4, PS5, Xbox One, Xbox Series X|S, Nintendo Switch und PC erschienen. Wir haben das Spiel auf der PS5 getestet. Unser Test-Muster stammt von MobyGames , wofür wir uns herzlich bedanken!
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