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(G)Story: Wie wir von Street Fighter V über den Tisch gezogen wurden

Zwischen Hass und Liebe liegt nur eine dünne Linie. Gigantisch war meine Freude als Capcom im August 2015 das erste Gameplay Video von SF V veröffentlichte. 6 Monate später war der offizielle Release und ich grinste wie ein kleiner Schuljunge, als ich endlich die Disc Version in den Händen hielt. Doch meine optimistische Erwartungshaltung schlug schnell in eine mittelmässige Enttäuschung um.



Denn Capcom präsentierte uns zu Beginn nix anderes als eine Alphaversion, mit mageren Inhalten und abgespeckten Spielmodi. Es erinnerte mehr an eine konstante Baustelle, als ein vollwertiger Spieletitel. Der japanische Spieleriese setzte voll auf das "Game as a Service"-Modell in dem trotz spährlichen Inhalten die Monetarisierungswelle eine wichtige, wenn nicht sogar die wichtigste Priorität darstellt. Zwar gab es einen Story-, Survival, Trainings und Missionsmodus plus 2 unterschiedliche Onlinevarianten, den beliebten Arcademodus blieb man uns aber vorerst schuldig. Erst viel später wurde der von den Fans lang ersehnte Zusatz nachgereicht.



Konzentrieren wir uns aber nochmals auf die bezahlbaren Extrainhalte. Bereits beim Release wurde angekündigt, dass neue Kämpfer per Seasonpass nachgereicht würden. Um einen Shitstorm zu vermeiden versprach Capcom, dass man sämtliche Extracharaktere, zusätzliche Stages und Kostüme auch ohne Echtgeld im Spiel freischalten kann. Wer genug "Fightmoney" in den Kämpfen und gewissen Modi (Trial, Story, Survival, Online) erwirtschaftet, könne laut Capcom die Kreditkarte stecken lassen. Doch wie so oft klaffen zwischen Theorie und Praxis Welten.


Die Mathematikfritzen von Capcom inplementierten ein System, das man am besten mit der Aussage" König Geiz regiert" umschreiben kann. Charaktere kosten z.B 100.000 während Zusatzlevels jeweils mit 70.000 und Kostüme mit 40.000 Fightmoney zu buche schlagen. Kummuliert man alles zusammen, wird einem schnell klar, das ein Normalsterblicher eher der König der Schweiz wird als, wie von Capcom versprochen, sämtliche Inhalte kostenlos freizuschalten. Zwar sammelt man zu Beginn locker ein paar Hunderttausende, der spätere Grind steht aber in keinem Verhältnis zu dem erwirtschaftenden Gewinn.



Nehmen wir als Beispiel den Survival Modus. Wer mit einer Figur die entsprechenden Gegner ohne Lebensverlust in die Pampa boxt, dem winkt neben zusätzlichen Farben für die Kostüme ein Fightmoney-Obulus. Je höher der Schwierigkeitsgrad, umso mehr wird euch aufs Ingamekonto ausgeschüttet. Was im Easy-Modus noch einfach zu bewältigen ist, entpuppt sich bereits im Normal-Modus als Tortur. Zwar bezwingt ihr die ersten 25 bis 29 Kontrahenten meistens im ersten Durchlauf, doch spätestens beim letzten Kampf schraubte man die Gegner KI so hoch, dass euch nicht selten dermassen der Hintern versohlt wird, dass motivierte Fightmoney Hustler am liebsten fluchend einen Ex-Hadoken ins japanische Hauptquartier schicken würden!


Ich behaupte mal ganz unverblümt: Capcom hatte nie die Intention, dass SF V Fans sich die Inhalte kostenlos erspielen können. Eher ist das ganze Fightmoney Gedönse darauf ausgelegt, dass der Spieler Blut leckt und früher oder später die Brieftasche zückt und die fehlenden Inhalte hinzukauft. Oder muss ich 2000 Online Kämpfe gewinnen, damit es für einen neuen Charakter reicht? Absurd! Denn zuerst hiess es, dass im Gegensatz zu den drei Vorgängern (das original SF berücksichtigen wir hier nicht) keine Ultra, Super oder Was auch immer-Edition erscheinen würde, sondern nur mit Seasonpässe neue Fighter nachgereicht werden. Doch auch hier wurde geflunkert bis sich die Balken biegen.



Im Januar 2018 veröffentlichte Capcom die SF V - Arcade Edition auch als physischen Release und krempelte das ganze Fightmoney-System um. Wer dachte, dass damit die Aussichten besser würden, merkte sehr schnell, dass genau das Gegenteil der Fall war. Die Gewinnausschüttung beim Survivalmode wurde komplett gestrichen. Dafür "spendierte" die "grosszügige" Truppe aus Japan Extramissionen. Ohne gross um den heissen Brei zu reden, das ist knallhartes Gambling! Denn wer gegen die Bonuskämpfer bestehen will, setzt z.B 1.000 bis 2.500 Öcken als Einsatz und hofft bei einem Sieg auf einen 4 oder 5 fachen Gewinn. Verliert ihr aber, geht das ganze hart erspielte digitale Geld Flöten. Und natürlich sehen weniger erfahrene Spieler ihre Felle schneller wegschwimmen als ihnen lieb ist.


Jedoch reichte diese dreiste Abzocke nicht. Zusätzlich kann man mit dem Fightmoney Orbs erwerben, die einem meistens unnütze Items für den Survivalmode anbieten in der Hoffnung, dass man eventuell ein neues Kostüm für einen der Kämpfer freischaltet. Ob man den Charakter aber bereits besitzt oder nicht ist Capcom egal. Doch "wie du mir so ich dir"! Gerne hätten wir uns alle Seasonpässe zugelegt, aber unter diesen Umständen können wir momentan gut darauf verzichten. Zusätzliche Geld werden wir nicht in Capcoms Gierschlund werfen. Da warten wir lieber auf die komplette Super Streetfighter V Disk Version. Gut, wir könnten uns noch ewig über die konsumentenfeindlichen Mechaniken auslassen. Reicht! Wer das ganze Ausmass dieser Tragödie mit eigenen Augen sehen möchte, muss nur im PS Store oder bei Steam vorbei schauen, die Anzahl an DLCs und Co. ist er- und bedrückend.



Doch wenden wir uns mal dem Grundgame und der Spielbarkeit zu. Und hier müssen wir Capcom ein dickes Lob aussprechen. Spielerisch ist SF V ganz grosses Fightkino. Für uns gibts aktuell kein anderes Beat'em Up das nur annähernd SF V das Wasser reichen könnte, nur der Netcode ist im Vergleich zu z.B. Apex oder Fortnite auch heute noch unter aller Kanone. Er funktioniert zwar, aber Lags und Framedrops sind keine Seltenheit. Damit muss man als Hardcorefan wohl oder übel leben. Wenns online aber läuft sind die Kämpfe erste Sahne. Seit 2016 prügeln wir uns wöchentlich mit Spielern online aus aller Welt, wobei meine persönliche Statistik sich mehr im unterirdischen Bereich befindet. Zwar erledige ich ausnahmlos jeden in meinem Freundeskreis im 2 Spieler Modus und lasse mich teilweise absichtlich besiegen, fordere ich jedoch Unbekannte im Ranked Online-Modus heraus, holen mich die echten SV 5 Pros auf den Boden der Tatsachen zurück. Im internationalen Bereich gehöre ich zum Bodensatz der SFV Online Community. Das Ranking geht von Bronze bis Platinum, wobei ich immer im Bronze - Superbronze Tier rumtingele, mehr geht nicht. Vielleicht muss ich erwähnen, dass in Sachen Combos, die ein integraler Bestandteil in höheren Liga-Bereichen sind, ich eine absolute Katastrophe bin. Trotz Youtube-Tutorials, Trials und Trainingsmodus fehlt mir die Lernmotivation, aber auch die benötigte Fingerfertigkeit. "It is what it is" und trotzdem dieses Defizits juckt es mich regelmässig in den Fingern, um ein paar Runden SF V zu zocken. Selbst beim Verfassen dieser (G)Story konnte ich es nicht lassen. Solange man den Monetarisierungswahn ausblendet ist SF V auch 2019 eine Wucht und man muss Capcom wenigstens dabei loben, dass von den ursprünglichen 16 Kämpfern die Auswahl über die Jahre auf satte 38 erhöht wurde. Zwar sind nicht alle Figuren meiner Meinung nach qualitativ gleichwertig, aber es ist für jede und jeden was dabei. Und solange Akuma, mit dem ich zu 99% meine Kämpfe bestreite, stets wählbar ist, kann ich damit wunderbar leben! Bleibt nur zu hoffen, dass für ein zukünftiges Street Fighter 6 uns nicht wieder so ein Monetarisierungschaos untergejubelt wird. [am]

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