Was könnte Herzen von RTS-Fans höherschlagen lassen, als ein neues Age of Empires? Das Kult-Spiel, das eine ganze Generation Strategie-Verrückter prägte, geht ab heute in die nächste Runde. „Gut Ding will Weile haben“, denn fast auf den Tag genau sind satte 16 Jahre verstrichen, bis uns Relic Entertainment endlich einen Nachfolger präsentiert.
Siedler, Häuser, Rohstoffe, Politik, wirtschaftliche Entwicklungen und strategische Kämpfe. Diese Worte kommen mir in den Sinn, wenn ich an den Knüller Age of Empires II denke, den ich als junger Gamer im Jahre 1999 tagtäglich gespielt habe. Nicht zu vergessen die kreativen Cheats, mit denen man das Spiel ein bisschen auflockern konnte. Somit sind die Erwartungen an den neuen Teil der Age of Empires Serie ziemlich hoch gesteckt.
Bevor ich mit meinem Vorhaben, riesige Streitmächte, grosse Burgen oder mit Mauern geschützte Städte zu errichten anfangen kann, muss ich durch ein kleines Tutorial. Ich lerne zunächst, wie mit den Siedlern umzugehen ist, welche Ressourcen ich abbauen muss und zuletzt, wie ich eine kleine Armee auf die Beine stelle. Die Erzählerin, gesprochen von Petra Barthel (Deutsche Synchronstimme von Nicole Kidman), führt uns durch die einzelnen Schritte und schon bald fühle ich wieder wie zu Hause.
Die Grafik ist zwar schön umgesetzt, jedoch nicht ein absolutes Highlight. Es sind eher die kleinen Details, die mir ins Auge stechen. Errichte ich ein Gebäude, so gibt es automatisch einen Pfad zum Dorf. Die Gebäude sind mit kleinen Feinheiten ausgestattet, die Wälder mit ihren Tieren bringen einen authentischen Nature-Touch mit sich. Ich merke, dass Relic mir nicht ein überfülltes Grafikmonster vorsetzen will, sondern in kleinen Schritten ein schlicht gutaussehendes RTS. Ein Highlight im Spiel ist die akustische Aufmachung. Es ist einfach grandios, die Armee über den Bildschirm zu schicken und ihre Schritte oder die der Pferde zu hören oder wenn die grossen Kriegsmaschinen mit ihren Steinen auf die Zitadellen des Gegners schiessen und einem der Sound nur noch um die Ohren knallt.
Nach den ersten 45 Minuten kribbelt es mir in den Fingern und ich starte den Kampagnen Modus. In der aktuellen Ausgabe trumpft das Spiel mit vier verschiedenen auf, die sich um die vier Völker drehen; Engländer, Franzosen, Mongolen und Russen. Die Geschichte wird anhand historischer Ereignisse dieser Völker erzählt, wobei jede Nation ihre eigenen Spezialitäten besitzt. Die Mongolen verfügen beispielsweise über Reiter, die vom Rücken der Pferde aus mit Pfeil und Bogen auf Gegner schiessen. Im Gegenzug dazu dürfen die Chinesen zu Beginn der Partie mit mehr Siedlern starten und haben somit den Vorteil, schneller eine höhere Entwicklungsstufe zu erreichen. Auffallend ist der dokumentarische Stil, mit welchem mir die jeweiligen Epochen vorgeführt werden. Das war für mich ein wenig gewöhnungsbedürftig, denn mit den alten Erzählungen aus Age of Empires II lässt es sich nicht vergleichen.
Ich entscheide mich zu Beginn für die Engländer. Die Vorteile sind, dass ihre Siedler mit Pfeil und Bogen ausgerüstet und die Waffenknechte früher rekrutier bar sind. Die Kampagne umfasst 10 Levels in der Zeitspanne von 1066 - 1217, in denen ich mich in mehreren Szenarien beweisen muss. Nicht immer geht es primär um den Aufbau einer Siedlung. Ich werde des Öfteren direkt in ein Scharmützel geworfen, bei dem ich unter anderem den gegnerischen König zu Fall bringen muss. Das ergibt eine interessante Mischung aus Erobern, Aufbauen und dem Entwickeln neuer Technologien. Parallel dazu stehen in den Missionen wiederum Nebenaufträge bereit, die nicht direkt für die Erfüllung der Ziele von Nöten wären, einem jedoch das Leben vereinfachen können. Zum Beispiel hab ich die Wahl, eine feindliche Truppe entweder mit purer Waffengewalt zu vernichten oder sie mit Gold zu bestechen, damit sie mich in Ruhe lassen und ich mich wieder auf die Mainquest fokussieren kann. Alles in allem bieten die Kampagnen viel Abwechslung und ich lerne step by step die Geschichte und die strategischen Eigenschaften der jeweiligen Völker kennen.
Aber was wäre Age of Empires ohne seinen Gefechts-Modus? Hier kommen die Bauwütigen voll auf ihre Kosten. Ich wähle mir eine Karte aus, definiere mit welchen Errungenschaften das Spiel gewonnen werden kann und bestimme die Anzahl der Gegner. Als Erfüllungskriterium für einen Sieg gilt die Zerstörung aller Wahrzeichen des Gegners, das Erobern aller Heiligtümer oder das Errichten eines Weltwunders. Ich nehme für diesen Fall alle drei Möglichkeiten und entscheide mich dafür, dass mir nicht nur vier, sondern acht Völker zur Verfügung stehen sollen. Darunter gibt es das Heilige römische Reich oder die Abbasiden-Dynastie. Ausserdem wähle ich eine Karte mit Wasser, damit ich die Bauoptionen der Häfen und Schiffe austesten kann. Dank den Römern stehen mir zu Beginn Prälaten zur Verfügung, die unseren Siedlern Boni zum Sammeln von Rohstoffen gewähren. Daraus folgt, dass ich schnell in das nächste Zeitalter gelange.
Ein auffallendes Merkmal sind die Stimmen der Siedler. Sprechen diese noch im dunklen Zeitalter einen eher rückständigen Dialekt, entwickelt sich die Sprache mit der Zeit weiter. Am Anfang des Heiligen Römischen Reiches noch eher ein Kauderwelsch, wird daraus in der letzten Phase eine richtige, deutsche Sprache. Die Möglichkeit Häfen zu errichten, bringt mir Fische als weitere Nahrungsquelle ein und ich darf später sogar mehrere Kriegsschiffe bauen. Die sind unbedingt nötig, denn die KI schickt mir nach wenigen Minuten Spielzeit schon die ersten Gegner auf den Hals. Die tauchen stets in Wellen auf und ich versuche mühselig dagegen zu halten. Schritt für Schritt vernichte ich aber die feindlichen Flotten, bestücke meine Transportschiffe mit Truppen und schicke diese ins fremde Territorium. Als ich alle vier Wahrzeichen des Gegners eliminiert habe, gewinnen ich nach rund einer Stunde Spielzeit die Schlacht.
Wem die KI-Partien zu langweilig sind, kann sich im Mehrspielermodus gegen andere Spieler beweisen. Ich hab versucht schon in der Testphase einen menschlichen Gegner zu finden, was aber vor Release eher schwierig war. Einen habe ich zwar gefunden, der hat nach 15 Minuten das Spiel aber wieder verlassen. Folglich war es fast unmöglich festzustellen, wie es um die Performance oder die Serververfügbarkeit steht. Lumpen lassen wird sich Microsoft aber wohl nicht.
Aber es gibt noch mehr. Mit «Kunst des Krieges» bekomme ich letztlich die Möglichkeit, meine Strategien zu verfeinern. Dieser Modus birgt ein paar ausgeklügelte Bonus-Missionen, in denen ich gegen die Zeit spiele und bei schneller Erfüllung der Ziele eine Goldmedaille erhalte. Es dreht sich alles um schnelle Wirtschaftsförderung und zeigt, welche Schritte zuerst für eine erfolgreiche Dorfpopulation zu unternehmen sind.
Fazit:
Endlich darf ich mich wieder auf ein wirklich gutes RTS stürzen. Das Gefühl, das Handling und die Atmosphäre von Age of Empires IV widerspiegeln den Geist des hochgelobten zweiten Teils, nur dieses Mal grafisch und akustisch in der Gegenwart angekommen. Es macht einfach riesen Spass, zu Beginn einer jeden Partie seine Siedler auf die Reise nach Ressourcen zu schicken, die ersten Häuser zu bauen und die nächste Entwicklungsstufe zu erreichen. Leider stört es mich immer noch ein Bevölkerungslimit von maximal 200 Einheiten zu haben. Wie grossartig wäre es gewesen, eine gigantische Armee von 500 Einheiten oder mehr zu erstellen und zu befehligen? Aber das ist Meckern auf hohem Niveau. Age of Empires IV ist kein Grafikmonster, sondern entzückt eher mit vielen kleinen Details, sei es die Sprache der Siedler, die sich von Stufe zu Stufe weiterentwickelt oder die Feinheiten an den Gebäuden. Eines der absoluten Highlights ist die Akustik. Ich schicke meine Armee von links nach rechts über den Bildschirm und das Dröhnen in den Kopfhörern der Fusstritte oder des Pferdegalopps sind einfach fantastisch. Verglichen zu den Vorgängern haben mir die Unterschiede der Völker gefallen. Jede Nation hat ihre eigenen Stärken und Schwächen und kann diese bei geschicktem Einsatz für sich ausspielen. Die neuen Modi wie «Kunst des Krieges» geben dem Spieler noch einen zusätzlichen Anreiz, seinen strategischen Sinn zu schärfen, um ein würdiger Heerführer zu werden. Age of Empires IV ist definitiv ein würdiger Nachfolger aller richtungsweisender Teile dieser RTS-Reihe. Das Spiel konzentriert sich auf seine Kernkompetenzen und hat nur das Beste aus den vorherigen Spielen mitgenommen. Als eingefleischter AoE- und RTS-Fan hat mich Age of Empires IV gänzlich überzeugt.
Wir haben Age of Empires IV auf PC getestet (ASUS ROG Zephyrus M - RTX 2060 - i7 9th Gen - 16GB RAM) und es lief auf Stufe "Mittel" flüssig. Von der Einstellung "Hoch" hat uns das Spiel selbst abgeraten. Age of Empires IV ist ab Tag 1 im Xbox Game Pass für PC enthalten oder via Steam erhältlich. Konsolen Versionen sind zum Zeitpunkt des Tests noch nicht angekündigt. Das Testmuster stammt von Microsoft, vielen Dank dafür!
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