CI Games ist nicht gerade als Lieferant von hochwertigen Triple-A Spielen bekannt, eher als sogenannter Budget-Produzent. In den letzten Jahren hat die Qualität der Spiele aus dem Hause CI jedoch stetig zugenommen (siehe auch das gelungene Sniper Ghost Warrior 2). Mit Enemy Front möchte man jetzt besonders mit gutem Gameplay und toller Grafik punkten.
Held des Spiels ist der amerikanische Kriegs-Journalist Robert Hawkins, mit dem wir in Norwegen, Deutschland und Polen gegen die Nazi-Bedrohung kämpfen. Die Schauplätze sind alle grafisch sehr schön anzusehen und vom Setting her auch recht unverbraucht. Aufhänger von Enemy Front ist das offene Level-Design. Jede Mission kann theoretisch auf unterschiedliche Weise erledigt werden; Schleichen, Ballern oder Sabotieren. Mittels Fernglas markieren wir die Gegner bequem aus der Ferne, die wir danach auch durch Wände sehen können. Um sie abzulenken werfen wir mit Steinen. Ein kleiner Warnkreis am unteren HUD dient als Indikator, wie sehr uns die Feinde auf die Schliche kommen.
Schleichen funktioniert ganz ordentlich, ist aber wegen des hohen Gegneraufkommens und der dämlichen KI eher schwer bis unnötig. Schon bald bemerkt man, dass mit der Rambo-Taktik schneller Erfolge erzielt werden können, zumal man dafür auch nicht wirklich bestraft wird. Munition gibt es zu genüge an jeder Ecke und selbst wenn Alarm ausgelöst wird und Verstärkung anrückt, stellt euch das zu keiner Zeit vor Probleme. Unser Super-Journalist frisst quasi blaue Bohnen zum Frühstück, selbst auf der härtesten Schwierigkeitsstufe. Der Einsatz von Health-Packs anstelle der regenerativen Lebensleiste und/oder weniger Munition hätten diese Schnitzer behoben.
Positiv ist in jedem Falle das Ausnutzen von Umgebungsgeräuschen. Dieses Feature kommt bei Ego-Shootern wahrlich zu selten zum Zuge. Wer eine gute Position besetzt hat und auf Explosionen oder Dröhngeräusche im Hintergrund wartet, der kann problemlos (bevorzugt mit dem Scharfschützengewehr) einen Gegner unbemerkt eliminieren. Alle anderen potentiellen Elemente, die zum verdeckten Vorgehen einladen, funktionieren deutlich weniger zuverlässig. Letztlich wird man ohnehin entdeckt und Enemy Front mutiert wieder zum hakeligen Rambo-Shooter.
Technisch ist Enemy Front bestenfalls Mittelmass. Die zu Grunde liegende CryEngine zaubert auf den ersten Blick sehr ansehnliche Grafiken auf den Schirm. Ein ländliches, farbenfrohes Frankreich ist genauso sehenswert wie das zerstörte, grau-braune Warschau. Schaut man sich die Texturen aber näher an, erkennt man sehr unschöne Konturen und viele matschige Flächen. Teile der Flora wirken wie ausgeschnittene Kartonaufsteller. Dafür läuft das Spiel auch auf weniger leistungsstarken PCs jederzeit flüssig.
Das grösste Problem bei Enemy Front sehe ich in der schwachen Waffenmechanik. Wie sich die Waffen anfühlen, wie sie schiessen, all das ist essentiell bei einem Ego-Shooter. Es gibt zwar einen üppigen Pool an Ballermännern, von der Luger-Pistole bis zum Lee-Enfield Sniper-Rifle, aber keine der Waffen hat richtig Bums oder einen glaubwürdigen Rückstoss. Und so ballern wir mit einer MP40 im Dauerfeuer praktisch gerade aus und treffen auch Ziele, die für diese Waffengattung einfach viel zu weit weg sind. Dazu gesellen sich äusserst schwache Schussgeräusche. Der Sound ist ohnehin kaum der Rede wert. Die Musik ist zweckmässig und die Synchronsprecher bringen eine Leistung, die irgendwo zwischen gut und hanebüchen liegt, was irgendwie ins Gesamtbild von Enemy Front passt.
Der Multiplayer bietet derzeit drei verschiedene Modi: Death Match, Team Death Match und Funkübertragung. In letztgenanntem Modus ist das Ziel, vordefinierte Punkte zu erobern und zu halten. Das kennt man als 'Conquest' aus Battlefield. Alles in allem findet man nur die genretypische Standardkost. Viel mehr hat der Multiplayer damit zu kämpfen, dass sich kaum Spieler auf den Servern tummeln, und das obwohl das Spiel gerade erst erschienen ist. Das sind keine rosigen Aussichten auf zukünftige Mehrspielerschlachten. Ein Matchmaking wird damit zur kleinen Geduldsprobe. Sobald die Runde dann aber gestartet ist, läuft eigentlich alles rund und es gibt keine technischen Patzer.
Fazit:
Wer hätte gedacht, dass ich das mal sage, aber ich bin richtig froh, dass die WW2 Shooter derzeit ein Revival erleben. Ich habe die ganzen Hurray-USA-Terror Shooter sowas von satt, wie ich damals die WW2 Shooter satt hatte. Enemy Front hätte das Potential ein richtiger Kracher zu sein. Open-World Feeling, Schleich-Einlagen, mehrere Lösungswege... es will viel, kann aber leider nur sehr wenig. Schön sind die unverbrauchten Schauplätze, die durchaus hübsche Grafik und die weitläufigen, offenen Level, die zum Erkunden einladen. Leider vermiesen mir viele technische Unschönheiten, die überaus dämliche KI und die schwammige Steuerung mit dem Pad die Laune. Den MP-Modus kann man gleich komplett vergessen. Richtig warm wurde ich mit dem Spiel daher nie, selbst als hartgesottener Shooter-Fan. Schade drum!
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