The(G)net Review: Medal of Honor: Frontline
- Sascha Böhme

- 28. Mai 2002
- 3 Min. Lesezeit
Lange haben wir uns gedulden müssen, nun endlich ist Electronic Arts' Medal of Honor: Frontline erschienen. Nach zwei erfolgreichen PSone Inkarnationen findet Steven Spielberg's Kriegs-Epos auf der PlayStation 2 seine glorreiche Fortsetzung!

Es ist schon krass: Viele unserer Grossväter (und -Mütter) mussten diesen ultimativen Horror noch am eigenen Leib miterleben und heute, knapp 60 Jahre nach Hitlers Nazi-Herrschaft, spielen wir Enkel - Chips und Cola im Anschlag - diese dunkelste Epoche europäischer Neuzeit in den eigenen vier Wänden nach.
Eines aber gleich vorweg: Wer die Bedenken beim Spielen authentischer Kriegsspiele nicht beiseite legen kann, und Steven Spielberg "vergibt" man in diesem Fall sicher gerne, verpasst mit Medal of Honor: Frontline das bis dato packendste, realistischste, soundgewaltigste und actionreichste WW2-Game überhaupt. Das fängst schon bei der ersten Mission an: D-Day, Omaha Beach, 6. Juni 1944. Die Intensität und Eindrucksstärke dieser ersten Mission wird sicher in die Analen der "ganz grossen Momente der Videospiel-Geschichte" eingehen (wer Saving Private Ryan gesehen hat, kann sich gut vorstellen was abgeht). Wir waren einfach hin und weg. Die Inszenierung erreicht allerbeste Hollywood-Qualität und setzt auf der PlayStation 2 abermals Massstäbe. Explosionen überall, die euch nicht nur den Sand, Dreck und eure Kameraden (!) um die Ohren schleudern, sondern auch noch das Zielen erheblich erschweren. Die Kugeln zappen derart realistisch über euch hinweg, dass man unweigerlich den Kopf einzieht, feinstem Dolby Surround sei dank.
Ihr übernehmt die Rolle von Jimmy Patterson, den es genau am 5. Juni '44 an die Front verschlägt, D-Day minus einen Tag! In 19 haarsträubenden Missionen soll er sich zuerst zu Fuss durch die Normandie kämpfen, dann über Holland abspringen, von dort mit einem U-Boot und dem Zug nach Deutschland vordringen, um die neueste Geheimwaffe der Nazi's zu stehlen und ganz nebenbei noch den Krieg zu beenden. Die Geheimwaffe der Wehrmacht: Der aller erste, komplett aus Holz gefertigte Tarnkappen-Bomber, genannt Ho-IX.
Die Missionen sind zwar alle linear aufgebaut, lassen in Sachen Abwechslung und Spannung jedoch kaum Wünsche offen. Ihr besucht den Strand der Normandie, kleine zerbombte Städtchen in Frankreich, ein idyllisches Holland mit vielen Brücken und Windmühlen oder unterirdische, deutsche Kasernen, fährt auf einem gepanzerten Kanonen-Zug oder taucht in einem deutschen U-Boot in die Tiefe, kämpft gegen Panzer, benutzt feindliche MG-Stellungen, klaut Uniformen oder Ausweise und lädt daraufhin ein paar Nazis im Pub zu einem Drink ein, kurz: Volles Programm!
Es ist erstaunlich, wieviel Liebe man in kleinste Details investierte, an denen man schlussendlich nur schnell dran vorbei läuft oder die man nur am Rande bemerkt (wie z.B. diverse "unwichtige" Gespräche). Einige der Level erinnern in ihrer Aufmachung stark an bekannte Kriegs-Filme wie Private Ryan oder Die Brücke von Arnheim, was zusätzlich Atmosphäre verleiht. Patterson stehen übrigens 18 authentische Waffen des 2. Weltkriegs zur Verfügung (inkl. glasklaren Sound-FX).
Gegenüber den Vorgängern hat sich neben Grafik und Sound vor allem eines geändert: Die Steuerung. Wie ihr wisst, musste man zuvor mit dem Digipad steuern und mit dem rechten Analog-Stick zielen. Jetzt darf komfortabel mit beiden Analog-Sticks gespielt werden und sogar der L3 Button findet seine Verwendung (für die "Melee-Attack", ganz wie in Halo). Puristen dürfen natürlich die klassische Variante anwählen und wer dann immer noch nicht zufrieden ist, erstellt sich ein eigenes Button-Layout.
Dafür fehlt zum ersten Mal ein Multi-Player Modus, schade. Die Framerate läuft angesichts der vielen Details und grafischen Schmankerl erstaunlich konstant, von einigen kleineren Rucklern mal abgesehen. Zu Bemängeln gibt's nur die Tatsache, dass man nicht die Geschwindigkeit der X-, bzw Y-Achse der Analog-Sticks verändern kann. Dadurch gestalten sich die Feuergefechte zu Beginn hackelig und mühsam, weil die Sticks so verdammt sensibel reagieren. Geduld und ein ruhiges Händchen bringen aber bald die gewünschten "Head-Shots".
Nach abgeschlossener Mission gibt's wie gewohnt Statistiken über die Hits, Trefferzonen, Zeit und Anzahl Kills, sowie Auszeichnungen in Form von Gold-, Silber- und Bronze-Medaillen. Die Gold-Jungen unter euch entlocken dem Spiel dann Cheats wie unbegrenzt Munition, No-Reload, Snipe-O-Rama oder einen der zahlreichen World War II Movies in Schwarz/Weiss. Prima für alle, die schon damals an Geschichts-Prüfungen immer "gecheatet" haben.
Fazit:
Es gibt nur ein Wort, das Medal of Honor: Frontline am besten beschreibt: Bombastisch! Man muss es gesehen haben. Sei es nun Grafik, Sound oder die vielen spannenden Missionen, hier bekommt ihr von der ersten bis zur letzten Minute nur das Beste serviert. Ego-Shooter Freunde werden die Konsole nicht eher wieder ausschalten, bis ganz Europa gerettet und der letzte virtuelle Nazi vernichtet wurde. Nur läuft das Game absolut linear ab und lässt dem Spieler zu keiner Zeit Spielraum zum Suchen alternativer Routen. Die meisten Türen im Spiel bleiben verschlossen. Das ist verschenktes Potential, bei dem Level-Design! Nicht zuletzt dank der grandiosen Aufmachung bleibt auch nach Beenden genügend Motivation erhalten, den Nazis immer wieder eins vor den Latz ballern zu wollen (wenn ihr versteht, was ich meine). Medal of Honor: Frontline ist der wahrhaftige Krieg (oder zumindest verdammt nahe dran) und als Ego-Shooter eine einzigartige Erfahrung.











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