Vage an die berühmten Filme angelehnt, macht EA Redwood Shores' Der Pate II einen weiten Schritt vorwärts, nimmt dabei all die Elemente mit sich, die wir an Open-World so lieben und erschliesst neue Genre-Gebiete: Organisiertes Verbrechen, statt unorganisiertem Geballere.
In Der Pate 2 übernehmt ihr die Rolle des Nachwuchs-Dons Dominic, der unter Corleones Fittichen zum Unterweltboss aufsteigen soll. Eine Karriere mit Hindernissen, denn ausser mit feindlichen Familien schlagt ihr euch auch mit der dürren Handlung, der veralteten Technik und Logiklücken herum. Das Spiel schleudert euch gleich mitten in die Filmhandlung: In der Neujahrsnacht 1959 flüchten ihr nach einem Mafiatreffen aus der kubanischen Hauptstadt Havanna, die von Fidel Castros Rebellen überrannt wird. Die Gassenhatz dient als nett inszeniertes Tutorial; während um euch herum Kommunisten kämpfen und Tanklaster explodieren, erlernen ihr die Bedienung. Danach fliegt ihr mit Michael Corleone persönlich und seinem Bruder Fredo zurück gen USA. Ein weiterer Unterschied zum Film, in dem Fredo auf Kuba bleibt. Solche Abweichungen ziehen sich durch Der Pate 2 wie Einschusslöcher durch einen Fluchtwagen. Fans der Vorlage erkennen viele Zitate und Charaktere wieder, ärgern sich aber zugleich über die zerstückelte Handlung. Zwar verstehen sie Letztere auch dann, wenn sie den Film nicht gesehen haben, das erste Der Pate von 2006 verwob Film und Spiel jedoch geschickter. Ausserdem entwickelt sich die Story anfangs lahm und gewinnt erst nach rund sechs Stunden an Tempo, wenn man nach Kuba zurückkehrt. Danach flacht der Spannungsbogen wieder ab, denn ab dann knipst ihr mechanisch eine Feindfamilie nach der anderen aus. Und das unspektakuläre Finale wirkt einfach nur lieblos. Immerhin wird die Geschichte in gut vertonten, deutschen Dialogen zwischen Dominic und seinen Mitmafiosi erzählt.
Zu Beginn des Spiels ist das Ziel, zuerst ganz New York und später auch Miami und Kuba unter die alleinige Kontrolle zu bringen. Bevor Dominic aber überhaupt beginnen kann, Fuss zu fassen, versuchen feindliche Familien auch schon, ihm den „Schweizer Käse“-Look zu verpassen. Die beste Absicherung hiergegen ist, sich seine persönliche Familie aufzubauen, wobei jeder potenzielle Rekrut mit einer eigenen Persönlichkeit, Hintergrund sowie auch ganz speziellem Talent kommt. Notwendigerweise bestimmt letztere Kategorie, welche Spiessgesellen ihr in euer Team holen werdet. Soll es ein Safeknacker sein, der selbst die kompliziertesten Schlösser mit Leichtigkeit überlistet? Oder vielleicht doch lieber ein Ingenieur, auf dass Maschendrahtzäune und dergleichen keine Hindernisse mehr darstellen? Wie wäre es mit einem Sprengstoffexperten, der seiner destruktiven Ader in eurem Dienst freien Lauf lassen kann? Ein Brandstifter ist sicher auch nützlich – in Verwirrung aus Gebäuden taumelnde, brennende Ganoven: Einen schöneren Anblick gibt es kaum. Wenn ihr zu all dem Hirn auch ein paar Muskeln wollt, ist der Schläger eure erste Wahl. Und last but not least, der unverzichtbarste aller Kompagnons: der Sanitäter. Ohne ihn kommt ihr nicht sonderlich weit. Und wenn doch, dann nur kriechend.
Habt ihr nun ein gut organisiertes Verbrecher-Team auf die Beine gestellt, geht es in das New York des Jahres 1959. Um als Don erfolgreich zu sein, muss der Spieler sich die illegalen Unternehmen rivalisierender Familien unter den Nagel reissen. Unser erstes Ziel war die Sweet Life-Bäckerei, ein scheinbar unschuldiger Betrieb, dessen Keller ein Bordell beherbergt. Der Besitzer war von unseren Überredungskünsten (linke Faust und rechte Faust, wobei seine Waren zu beschädigen den gleichen Effekt gehabt hätte) dermassen beeindruckt, dass er sofort zustimmte, einen Teil seines Einkommens von nun an in Dominics Taschen fliessen zu lassen. Das machte einen bestimmten anderen Don natürlich nicht sonderlich glücklich, und so versuchte er schon bald, die Bäckerei zurückzuerobern – aber rechnete nicht mit den Wachen, die wir dort positioniert hatten. Doch Vorsicht, alles in Der Pate II passiert in Echtzeit. Die Gauner werden nicht höflich darauf warten, dass ihr euren Jungs zur Hilfe eilt, völlig egal wie weit ihr vom Standort des Geschäfts entfernt seid. Richtig brenzlig wird es aber erst dann, wenn jenes Geschäft Teil einer Gruppe war, die besondere Boni an ihren Besitzer verleiht. Das kann sich in der Form von kugelsicheren Westen, Schlagringen oder anderen Goodies äussern. Jedenfalls genügt es völlig, einen Laden aus der Gruppe zu verlieren, damit der Bonus umgehend verschwindet.
Das Kampfsystem in Der Pate II ist fantastisch in seiner brutalen Einfachheit und gleichermassen einfachen Brutalität: Der linke Trigger bewegt den linken Arm, der rechte den rechten Arm und beide gleichzeitig gedrückt halten, lässt Dominic seinen Gegner am Kragen packen – woraufhin er ihn entweder erwürgen, weiter auf ihn einprügeln, oder gegen einen Gegenstand werfen kann. Natürlich steht euch eine Vielzahl von Kanonen zur Verfügung, von der Tommygun bis hin zur Shotgun. Hat der Gegner ein gewisses Mass an Schaden erlitten, könnt ihr nahe an ihn herantreten und ihn mit einem speziellen Finishing-Move erledigen – der übrigens je nach benutzter Waffe unterschiedlich ausfällt. Ja, da hätte unser Herr Näf seine Helle Freude dran!
Mitglieder einer rivalisierenden Familie auszuschalten, ist jedoch um einiges komplizierter: Man muss bestimmte Bedingungen erfüllen, um sie permanent tot zu bekommen – sonst machen sie euch nach ein bis zwei Tagen wieder das Leben schwer. Einige Passanten bitten euch um Gefallen, deren Erfüllung euch unter anderem auch Informationen über jene Tötungs-Bedingungen einbringen können. Nebenbei frischt ihr dadurch auch euer Einkommen auf, oder habt im späteren Spiel ein rettendes Ass im Ärmel. Der einzige wirkliche Minuspunkt hierbei ist das eher repetitive Gameplay: Geschäft erobern, Familienmitglieder killen, mehr Geschäfte erobern, irgendwann eine Familie ganz auslöschen, nur um dann zum nächsten Geschäft zu wandern.
Grafisch zeigt sich Der Pate II in etwas älterem Gewand als seine Genre-Brüder, schafft es aber dennoch, gehörig Mafiosi-Charme zu versprühen. Im Zusammenspiel mit dem englischen Voice-over und der leicht zwielichtigen Hintergrundmusik entsteht so die perfekte Paten-Atmosphäre. Englische Sprache bekommt ihr allerdings nur mit einer importieren Version, die bei uns erhältliche PEGI-Version verfügt leider wieder nur über eine deutsche Tonspur.
Im Multiplayer-Modus kämpft ihr nicht als Dominic – obwohl das durch den MobFace-Generator fast schon MMO-Status erreichen würde – sondern als einer eurer Handlanger. Drei von insgesamt vier Multiplayer-Modi verlangen nach intelligentem Einsatz ihrer besonderen Skills, während der vierte das gute alte Deathmatch ist. Als Motivation, den MP-Modus in Angriff zu nehmen, hält das dort verdiente Geld her, das auch im Singleplayer einsetzbar ist. Der Spieler kann sich aber auch Ehrenpunkte aneignen, um Lizenzen für stärkere Waffen zu erwerben.
Fazit:
Ein virtueller Mafioso zu sein, hat noch nie so viel Spass gemacht. Der Pate II verfügt über ein exzellentes Kampfsystem und ist das erste Open-World-Spiel seit langem, das dem Spieler zumindest ein bisschen Gehirnaktivität abverlangt. Doch wo viel Licht ist, da ist leider auch Schatten: Die Linearität des Singleplayer-Modus raubt dem Spiel eine gehörige Menge Motivation, die durch die Storyline leider nur teilweise wiederhergestellt werden kann. Alles in allem ist Der Pate II aber doch ein unterhaltsames Spiel, das Fans des Genres zumindest bis zum Release des nächsten Open-World-Titels (und vielleicht noch ein gutes Stück darüber hinaus) über Wasser halten sollte.
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