Noch ein Versuch eines japanischen Entwicklers, das 3rd Person Shooter-Genre zu erobern. Tecmo Koei scheiterte mit Quantum Theory kläglich. Nicht so Platinum Games! Die haben mit Bayonetta das Jahr mit einem grossen Knall begonnen und jetzt beenden sie es mit einem fast ebenso perfekten (und fordernden) Spiel.
Wem ist es auch schon aufgefallen? Action-Games werden immer einfacher. Die 'Casualisierung' des Genres hat wohl einfach damit zu tun, dass Hinz und Kunz mittlerweile auch Shooter spielen und natürlich wollen die nicht mit schwitzenden Händen, glühenden Daumen und rauchenden Köpfen vor der Glotze sitzen, sondern sich Honigbrötchen schmieren, während die Gegner reihenweise umfallen. Schluss damit! Vanquish ist für Genre-Veteranen gemacht. Es ist schnell, hektisch und unbarmherzig. Aber es macht verdammt viel Spass! Ein Cover-Shooter auf den ersten Blick, beim näheren Hinsehen jedoch weitaus tiefer und komplexer. Dazu ist es ebenso 'flashy' und übertrieben wie Platinums' letztes Spiel.
Verantwortlich für das bunte Treiben ist abermals Shinji Mikami (Resident Evil, Devil May Cry, Onimusha - um nur einige seiner Hits zu nennen). Schon das Intro lässt Grosses erahnen: Da stehen Held Sam Gideon, US-Spezialagent und Wissenschaftler, und sein Ausbilder Captain Burns auf der Brücke der Weltraumstation SC-01-Providence und streiten (wie so oft) munter vor sich hin. Da knallt mal eben ein riesiges Raumschiff der Uranov-Klasse in den Hangar, wirbelt Mensch und Maschine durch die Gegend und lädt eine kleine Armee an russischen Robotern ab. Was ist hier passiert? Ein Militärregime hat die Macht im Kreml übernommen, das gigantische, orbitale Sonnenkraftwerk der USA überrannt und in einen Mikrowellenlaser umgebaut. Damit wird dann direkt mal San Francisco in die Mikrowelle geschoben und die Köpfe der Bay-Bewohner platzen wie Tomaten beim Weitwurf. Nun drohen die Russen mit einem Angriff auf New York City und versuchen so, die US-Regierung zur endgültigen Kapitulation zu zwingen. Zusammen mit einer ganzen Streitmacht schwerbewaffneter Militärs unter der Führung von Lt. Col. Robert Burns startet Sam nun den Gegenschlag. Für diese Operation hat er einen speziellen Anzug im Gepäck: Den Augumented Reality Suit, kurz ARS. Sitzt wie eine zweite Haut, bietet eine Menge Vorteile im Gefecht und ist die einzige Chance der Menschheit.
Der ARS Suit gewährt unserem Sam enorme Mobilität, die sich ebenso in blitzschnellen Hechtrollen in alle Himmelsrichtungen äussert wie in der Fähigkeit, mit den eingebauten Düsen sekundenlang über den Boden zu schlittern. Die einzigen Atempausen im Spiel kommen in Form einer Bullet-Time, die Sam für kurze Zeit auslösen kann. Dann surren in „Matrix“-Manier die Kugeln durch die Luft, als wäre sie in Gelatine, und ihr habt mehr Zeit, um besonders knifflige Treffer anzubringen, herannahende Raketen abzuschiessen oder schlicht auszuweichen. Das ist auch nötig, denn viele Gegner wollen an ihrer schwer erreichbaren Achillesferse getroffen werden, die sie mitunter nur sekundenweise entblössen. Ausserdem feuern sie Volleys von Raketen in alle Himmelsrichtungen und feuern unentwegt aus ihren dicken Wummen, so dass man schon fast meint, in einem dreidimensionalen Bullet-Hell-Shooter aus dem Hause Cave gelandet zu sein.
Die vielen Bosskämpfe sind dann auch das grossen Highlight von Vanquish. Unfassbar, wie sich es sich anfühlt, wenn sich der Kreon WE-T1 aus dem Erdreich gräbt, seine Geschütze ausfährt und mit der Strahlenkanone einen glänzenden Schein des Todes durch die anrückenden US-Marines schneidet. Das vernebelt einem die Sinne, ergibt ein buntes Lichtermeer und fordert zumindest in den höchsten Schwierigkeitsgraden bis an die Grenzen. Nur wer blitzschnell ausweicht, im richtigen Moment die Düsen zündet, von einer Deckung zur nächsten slidet, seinen Anzug dabei nicht überhitzt und punktgenau seine MG-Salven auf die fett markierten Schwachstellen feuert, hat hier eine Chance. Vanquish ist schwer, macht aber erstaunlich viel Spass - obwohl die Spielmechanik eigentlicher kalter Kaffee ist: Die Schwachstellen des Bosses leuchten orange auf, hin und wieder öffnet sich seine stählerne Brust, entblösst den ungeschützten Kern und lädt zum Draufballern ein. Klar, dass hier die Bullet-Time, respektive der AR-Modus, euer bester Freund ist. Toll auch, wie durchdacht das alles wirkt und wie stylisch umgesetzt: Sam schleppt nicht unzählige Wummen mit sich rum, sondern setzt auf das so genannte „Blade-System“. Auf Knopfdruck verwandelt sich so eine Schrotflinte in ein Scharfschützengewehr, dabei werden die einzelnen Komponenten ähnlich wie in „Transformers“ sichtbar zusammen gepuzzelt.
Wie bereits erwähnt, ist bei 'Vanquish' zu fast jeder Zeit einiges los auf dem heimischen Bildschirm. Doch nicht nur die zahlreichen Gegner sorgen für epileptische Anfälle, auch die Umgebung ist unglaublich eindrucksvoll. Überall bröckeln Gebäude oder Brücken ein, Funken sprühen, Explosionen zereissen die Luft. Man hat stets den Eindruck, dass man gar nicht anders kann, als ohne zurückzuschauen weiterzusprinten - insofern funktioniert die Rastlosigkeit, die 'Vanquish' vermitteln will, ausserordentlich gut. Bisweilen fühlt man sich von der Optik her etwas an die grossen Namen des Genres erinnert. So kann man die Grafik stilistisch in die Reihen von 'Gears of War' und 'Dead Space' einordnen - alles wirkt recht futuristisch und kühl, mit viel Mechanik und Technologie. Insgesamt ist die grafische Darstellung absolut hochklassig. Ähnlich sieht es auch bei der Geräuschkulisse aus - von allen Seiten gibt es Schüsse und Explosionen zu hören. Krieg total - das verstärkt den Eindruck, dass man mittendrin im 'Kriegsgebiet' steckt, natürlich enorm. Einzig der nervige Technosound ist mir leicht säuerlich aufgestossen, weil er meiner Meinung nach einiges an Atmosphäre kaputt macht (und ich sage das als bekennender House-Music Fan).
Das hört sich alles unglaublich gut an? Warum dann keinen Award? Vanquish ist leider extrem kurz. Auf der niedrigsten Schwierigkeitsstufe ist das Ende in knapp 4 Stunden erreicht. Tut euch also selbst einen gefallen und startet mindestens auf 'Normal', dann hält das Feuerwerk wenigsten 6 Stunden hin. Die KI der Standard-Gegner lässt nämlich ohnehin schon zu Wünschen übrig. Ein Multiplayer-Modus fehlt auch - Duelle mit ARS Suits hätte ich aber gerne gesehen. Das Spiel ist für Anfänger nur schwer zugänglich. Es braucht schon einige Zeit, bis man die Features des Hightechanzugs richtig für sich nutzen kann. Die Zeit davor ist hektisch und frustrierend.
Fazit:
Wer gerne Shooter spielt, muss sich Vanquish unbedingt antun. Eines aber vorweg; Das Spiel ist kurz und nach zwei Abenden ist der Zauber auch schon wieder vorbei. Es sei denn, ihr steht auf High-Score-Jagd und Challenges. Es ist jedoch schwer Vanquish dafür zu kritisieren. Ich habe jede Sekunde des Spiels genossen, speziell das letzte Drittel, das euch herrlich auf den finalen Kampf vorbereitet. Viele sagen, die japanische Game-Industrie sei auf einem absteigenden Ast - Vanquish ist jedoch ein prima Beispiel dafür, was talentierte Entwickler aus dem Land der aufgehenden Sonne alles fertig bringen.
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