Hurra! Ein neues Wolfenstein und erst noch für meine neue Playstation 4. Wenn das mal kein Grund zum Feiern ist! Der Ego-Shooter-Klassiker wird von Machinegames auf Next-Gen Kisten wiedergeboren und schreibt dabei die Weltgeschichte neu.
Anno 92 hat ein Spiel namens „Wolfenstein 3D” quasi im Alleingang das „Ego-Shooter” Genre eingeführt. Über 20 Jahre später läutet der neueste Ableger der Wolfenstein-Saga buchstäblich eine neue Zeitrechnung ein. Wie im Klassiker von einst, tritt auch hier US-Soldat B.J. Blazkowicz den Kampf für Freiheit und Gerechtigkeit an. Seine Gegner: Der wahnsinnige Wissenschaftler Wilhelm „Totenkopf” Strasse und dessen Nazi-Soldaten, die allerdings in europäischen Versionen des Games nur das „Regime” genannt werden. Hakenkreuze hat man in hierzulande erhältlichen Versionen allesamt entfernt, obwohl die restliche Optik und die Gewaltdarstellung immer noch eine sehr klare Sprache sprichent. Auch Text-Dokumente oder ganze Dialoge wurden neu geschrieben bzw. neu vertont. Schade, denn gerade die bedrohliche Nazi-Symbolik wie Totenköpfe, SS-Runen und das rot-weiss hinterlegte Hakenkreuz machen einiges der beklemmenden Atmosphäre aus. Wer eine ungeschnittene Version spielen will, muss sich eine US-Version importieren. Selbst die UK Ausgabe des Spiels muss mit Schnitten leben.
Der stramme B.J. unternimmt im zweiten Weltkrieg eine riskante Mission, Strasse zu stoppen, scheitert aber. Dabei zieht er sich eine Kopfverletzung zu, die ihn bis in die 60er Jahre ausser Gefecht setzt. Während der Soldat in einer Irren-Anstalt im Wachkoma zur Untätigkeit verdammt ist, gewinnen die Nazis den Krieg und erobern die Welt. So sieht die militärdiktatorische Zukunft schwer entstellt aus: Das Regime hat überall seine Spuren hinterlassen, vom täglichen Terror bis zum retro-futuristischen Nazi-Design. Die düstere Atmosphäre ist so dicht gewoben, sie hängt schwer über jeder Spielminute – eine echte Glanzleistung von Machinegames, die mit Spielen wie The Darkness bereits gezeigt haben, was sie drauf haben.
Als B.J. endlich wieder zu Sinnen kommt, kann er (und damit auch der Spieler) den Kampf fortsetzen. Dabei macht er keine Gefangenen: Gleich von der ersten Minute geht’s ultrablutig los. Die exzessive Gewaltdarstellung wird sicher den ein oder anderen Spieler vor den Kopf stossen, mir hingegen hat die 'Sauerei' gefallen. Ist es nicht genau das, was man von einem Wolfenstein erwartet? Mit Messern schlitzt ihr Kehlen auf. Schiesst ihr euren Widersachern in die Beine, gehen sie schreiend zu Boden, versuchen euch aber noch im Liegen zu erledigen. Verwendet ihr eine Schrotflinte, reisst es den Unglücklichen auch schon mal einen Arm weg oder ein Kopf platzt vor euren Augen. Übertrieben wie in einem Film von Quentin Tarantino. Ebenso Tarantino-mässig die Charaktere; allen voran Ober-Sturmbannführer Engel, eine Nazi-Domina aus dem Bilderbuch!
Mit zahlreichen konventionellen Waffen vom Messer bis zum MG, aber auch mit Strahlenkanonen oder schweren Geschützen kriegt B.J. die nicht besonders cleveren Gegner klein. Dabei darf man gleich von Beginn an zwei Waffen gleichzeitig feuern. Wer gewitzt vorgeht, meuchelt feindliche Soldaten lautlos von hinten. Wer Nazi-Kommandanten lautlos erledigt, bekommt zur Belohnung Hinweise, wo die zahlreichen Secrets im Level versteckt sind. Es lohnt sich also mit Bedacht vorzugehen. Mit einem perk-artigen Upgrade-System erweitert man zudem die Möglichkeiten von B.J. Wer beispielsweise drei Gegner heimlich mit einem Messerwurf erledigt, kann danach eine höhere Anzahl Klingen tragen. Übrigens: Die Gesundheit lädt sich nicht wie heute in Shootern üblich selbst auf, sondern muss mit Erste-Hilfe-Kits aufgefrischt werden – ganz wie im Original-Wolfenstein. Das ist in meinen Augen ein Plus-Punkt, da es etwas Taktik in den Shooter-Alltag bringt und mich zwingt, auch mal das tolle 360 Grad-Deckungs-System zu nutzen.
Wer meint als Rambo mit zwei Gewehren im Anschlag durch die Level rennen und alles niedermähen zu müssen, verdirbt sich den Spass. Derartiges Geballere funktioniert nur ohnehin nur auf den unteren Schwierigkeitsgraden. Spannender ist es, sich auf den höheren Spielstufen lautlos mit dem Messer anzuschleichen und zunächst die Kommandeure auszuschalten, bevor diese Alarm schlagen und Verstärkung rufen (was mich stark an Far Cry 3 erinnert). Wer vorsichtig vorgeht und die Level auch nach Geheimnissen durchforstet, sollte 15 bis 20 Stunden für einen Durchgang rechnen. Danach lockt eine zweite Runde mit leicht veränderter Handlung und mit allen bisher gefundenen Upgrades, quasi ein verkapptes Game+.
Technisch überzeugt die zugrundeliegende und von Rage bekannte id-tech-5-Engine der getesteten PS4-Version mit stabilen 60 fps und detaillierten Texturen. Um die hohe Framerate beizubehalten, verzichtet Wolfenstein aber weitgehend auf dynamische Lichtquellen und aufwendige Shader-Tricks. Trotzdem sieht The New Order hervorragend aus. Einzig der Audio-Mix scheint ab und zu etwas verkorkst zu sein. Die Schussgeräusche dürften kerniger und einige der Background-Sounds dafür weniger laut klingen. Auch die Dialoge abseits der Cut-Scenes sind sehr leise und ohne Untertitel kaum verständlich. Im Sound-Menü suchen wir Lautstärke-Regler für Musik, Sound FX und Sprache vergeblich.
Fazit:
Als Freund von Ego-Shootern der alten Schule übertraf Wolfenstein meine kühnsten Erwartungen! Was habe ich Spass mit dem Teil! Nach dem zerklüfteten und schlauchartigen Anfang lässt es mir viel Freiraum, die Wachen mit unterschiedlichen Taktiken zu erlegen. Ich fühle mich ständig an andere Hit-Shooter erinnert. Far Cry 3, Dishonored, ja sogar Half-Life 2 kommt mir in den Sinn. So setzt sich The New Order überaus wohltuend vom Grossteil aktueller (Online-)Shooter ab. Dass man sich voll auf eine Einzelspielererfahrung konzentriert hat, ist in meinen Augen ein Pluspunkt. Die Kampagne ist umfang- und abwechslungsreich und vor allem extrem stimmungsvoll, so wie schon lange kein Shooter mehr. Besondern gefallen haben mir die verschiedenen Charaktere, ihre tragischen Geschichten und die vielen schockierenden Momente, die ich mit ihnen durchlebt habe! Ganz grosses Kino Freunde, bitte mehr davon!
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