Battlefield V hat es nicht leicht. Erst der verkorkste Debut-Trailer, die anfangs fatale Marketing-Kampagne mit Prothesen tragenden Frauen-Soldaten oder dass man sich nicht auf altbekannte Szenarien, sondern auf die weniger breitgetretenen Kriegsgeschichten konzentrieren will, all das hat bei den Serien-Fans einen sehr gemischten Eindruck hinterlassen, um es mal milde auszudrücken. Lassen wir also an dieser Stelle den ganzen SJW-Bullshit und den Hate der Macho-Fanboys weg und konzentrieren uns auf das, was uns wirklich interessiert. Die Frage ist doch ganz einfach die, ob das Spiel am Ende des Tages Spass macht, oder?
Meine Battlefield-Karriere begann anno 2005 mit Battlefield 2 auf dem PC. Das hab ich so richtig hart gesuchtet, über 700 Stunden lang. Seither gehört Battlefield zum Pflichtprogramm und ich habe in den letzten 13 Jahren jeden Höhen- und Tiefpunkt der Serie miterlebt. Mit Battlefield 5 kehren die Schweden jetzt quasi zu ihren Wurzeln zurück, denn schon das aller erste Battlefield-Spiel war ja bekanntlich ein WW2-Shooter (Battlefield 1942).
Man muss es DICE zu Gute halten: Sie hören auf ihre Fans. Seit der Ankündigung wurden viele Änderungen und Anpassungen vorgenommen, die von den Fans gefordert wurden. Schon die Beta hat gezeigt, dass sich das Blatt zusehends zum Guten wendet. Zwar ist das neue Battlefield auch in der Release-Version immer noch nicht ganz dort, wo ich es gerne gesehen hätte – dafür fehlt es einfach an Inhalten und Feinschliff – aber das Gebotene gehört schon jetzt zum Besten, was die Serie in den letzten Jahren zum Vorschein gebracht hat.
Das beginnt beim vorzüglichen Gunplay. Grösster Kritikpunkt bei Battlefield 1 für mich war, dass es beim Handling der unterschiedlichen Waffen praktisch keine Lernkurve gab. Jede Knarre fühlte sich irgendwie gleich an, wie in einem Arcade-Spiel. Das war vermutlich der Zugänglichkeit geschuldet, denn DICE wollte oder will bekanntlich auch Neulinge abholen. Bei Battlefield 5 kehrt endlich das Skill-basierte System zurück und ich fühle mich an die glorreichen Tage eines Bad Company 2 oder Battlefield 3 zurück erinnert. Das Handling jeder Waffe ist spürbar unterschiedlich und man muss sich an jede einzelne gewöhnen. Trefferfeedback, Rückstoss, Bullet-Drop, alles vom Feinsten. Man merkt, dass sich DICE in diesem so wichtigen Punkt sehr viel Mühe gegeben hat.
Ebenso erstklassig finde ich das Map-Design. Obwohl zum Start nur acht Karten vorhanden sind, bieten diese doch sehr viel mehr Abwechslung als angenommen. Da ist für jeden Geschmack etwas dabei, von weiten, offenen Gebieten mit haufenweise Vehikeln, bis hin zu verwinkelten City-Maps mit Infantry-Fokus. Gerade die Karten "Arres" und "Twisted Steel" bringen das Feeling alter Battlefields zurück und halten viele der beliebten "Battlefield-Momente" bereit. Ebenfalls schön: EA hat sich ausnahmsweise gegen einen Season-Pass entschieden und liefert so regelmässig neue Karten, Waffen und Fahrzeuge nach, und das vollkommen kostenlos. Wer sich die Road-Map für die nächsten Monate ansieht darf lächeln, die Community profitiert. Um den finanziellen Verlust auszugleichen sind zwar weiterhin Mikrotransaktionen im Spiel, diese beschränken sich jedoch auf kosmetische Items und die üblichen Klassen-Abkürzungen, also nichts, was man nicht auch durch regelmässiges Spielen erreichen könnte und sollte. Es gibt zwar auch einige Helme, Hosen, Jacken und Camos, die man nur mit in-Game Währung kaufen kann, aber damit kann ich persönlich leben.
Multiplayer:
Die grundlegende Battlefield-Erfahrung ist die gleiche wie bisher, bekommt mit Teil 5 aber einige Gameplay-Neuerungen, die vor allem dem Teamplay zu Gute kommen. Zu den Wichtigsten will ich im folgenden Abschnitt ein paar Worte verlieren:
Attrition-System (dt. Zermürbung)
Weniger ist mehr. Das Zermürbungssystem wurde entwickelt, um in erster Linie das Teamwork zu fördern. Da Munition und Medizin Mangelware sind wird das Spiel dynamischer, da man in jeder Situation zuerst die Risiken einschätzen muss. Wenn die Gesundheit oder die Munition nicht voll sind, dann wird nicht mehr einfach auf die nächste Flagge gestürmt oder ein paar Kugeln in die generelle Richtung eines möglichen Feindes gefeuert. Man überlegt sich zweimal, ob man nicht doch lieber seine Taktik ändert, was dem Ganzen mehr Tiefe verleiht. Zudem werden die Klassen des Supporters, Snipers und Medics wieder wichtiger. Die Wahl der Klasse hat wieder einen viel grösseren Stellenwert als bisher. Ein Sturmsoldat hat mehr Gesundheitspunkte als alle anderen und regeneriert diese schneller als die anderen Klassen, während ein Supporter dafür schneller Stellungen aufbaut und als einziger Munition verteilen kann. Leben retten kann zwar jeder, aber nur der Mediziner tut dies schnell und effektiv. Der Sniper schliesslich ist der einzige, der Gegner auf der Mini-Map markieren kann. All das verbessert den Spielfluss deutlich und macht die Stellungsgefechte noch einmal intensiver.
Befestigungen
Hand in Hand mit der Zerstörung geht das neue Befestigungssystem einher. Dieses Feature gefällt mir persönlich besonders gut und ich kann mir schon gar nicht mehr vorstellen, wie Battlefield jemals wieder ohne auskommen sollte. Neu können diverse militärische Strukturen gebaut werden: Schützenlöcher, Sandsäcke, Stacheldraht, Panzerstopper, sogar Leitern und Brücken um an neue Orte zu gelangen. Gebäude lassen sich verstärken, oder nach deren Zerstörung teilweise wieder aufbauen. Dadurch wird das Gameplay insgesamt viel dynamischer. Wenn ich eine Flagge halten will, kann ich Zugänge zu Kontrollpunkten mit Befestigungen absperren und den Feind in ein Nadelör zwingen. Oder ich baue eine Leiter, um einen erhöhten Sniper-Punkt zu erreichen. Auf der Mini-Map werden Orte, wo wir etwas bauen können, durch hell leuchtende Bereiche angezeigt.
Verbesserte Immersion dank angepassten 3D-Spotting
Das Markieren von Feinden gehört seit jeher zu Battlefield. Allerdings artete das System in den letzten Titeln in ein Spam-Fest aus, wo man zusehends mehr auf rote Punkte auf der Karte schoss, als auf den Spieler im Sichtfeld. Da nun nicht mehr jeder Feinde markieren bzw. nur noch eine ungefähre Richtung markiert werden kann, muss man sich mehr auf das Spielfeld konzentrieren, also auf das, was man wirklich sieht. Wir blicken nun nicht mehr so oft auf die Mini-Map, sondern scannen die Umgebung nach möglichen Gefahren. Nur Sniper können via Fernglas oder Spotting-Flare Feinde markieren. Dank dieser Änderung kann man sich jetzt besser an Stellungen schleichen, sich effektiver verstecken oder eine Position flankieren, ohne dass man gleich wie ein Christbaum zu leuchten beginnt und mit einem roten Dreieck über dem Kopf durch die Gegend läuft.
Trupp-Verstärkungen
Teamplay wird in Battlefield 5 gross geschrieben. Das sieht man auch am neuen Squad-System. Wer mit seinem Trupp zusammen arbeitet erhält Trupp-Punkte, die man dann in Trupp-Verbesserungen investieren kann. Dazu zählen Versorgungsabwürfe, Rauchwände, eine V1-Rakete oder sogar bestimmte Fahrzeuge. In diesem Zusammenhang wird die Rolle des Squad-Leaders wieder wichtiger, denn nur er kann Befehle erteilen und die Verbesserungen via Funk anfordern. Schön ist auch, dass wir vor dem Spawn unsere Kollegen wieder beobachten können, um nicht quasi blind in ein heisses Feuergefecht zu geraten und gleich wieder zu sterben.
Es gibt noch viele weitere Neuheiten wie ein verbessertes Traversal-System, das es erlaubt in einer flüssigen Bewegung aus Fenstern zu springen, sich auf den Rücken zu legen oder über Hindernisse zu springen. Die Bewegungen sind allgemein flüssiger als in den Vorgängern. Auch sehr schön: Die erweiterte Zerstörung, wo sich sogar die Druckwelle einer Explosion auf den Spielverlauf und die Zerstörung auswirkt. Es würde den Rahmen dieses Artikels sprengen, auf all die kleinen Dinge einzugehen. Es sei aber abschliessend gesagt, dass man an den richtigen Schrauben gedreht und verbessert hat, um aus der ohnehin soliden Multiplayer-Erfahrung eine noch bessere zu machen.
Singleplayer:
Battlefield 5 bietet viel für Multiplayer, aber wie sieht es mit den Solo-Spielern aus? Ich persönlich war immer ein Fan der Kampagnen. Man kann da so herrlich abschalten, ähnlich wie bei einem "Bumm-Krach-Michael Bay Action Movie". Popcorn-Kino im Shooter-Format. Im Gegensatz zum Konkurrenten Black Ops 4 bietet BFV eine Single-Player Kampagne bzw. mehrere Kleine. Die „War Stories“ sind uns ja schon aus Battlefield 1 bekannt. Die Missionen hier sind zwar nicht so zahlreich, dafür dauern sie etwas länger und bieten allgemein etwas mehr Freiraum. Wer jetzt aber den Bombast einer Normandie-Invasion à la Saving Private Ryan oder das grosse Chaos einer Operation Market Garden erwartet wird enttäuscht. Solche Momente gibt es in Battlefield 5s Singleplayer-Kampagne (leider) nicht, auch wenn ich und viele Fans sich das bestimmt gewünscht haben.
Die Kriegsgeschichten in Battlefield 5 erzählen von Einzelschicksalen unbekannter Personen in Gebieten, die sonst eher eine untergeordnete Rolle spielen. Längere Episoden bedeuten mehr Zeit zum Atmen und zum Entwickeln kurzer Handlungsstränge, die zwar nicht viel Tiefe haben, aber genügend Charakter einbringen, um am Schluss einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen und mit den Protagonisten mitzufiebern. Zum Start stehen drei Kriegsgeschichten zur Verfügung. Die erste versetzt uns in die Rolle eines britischen Commandos, die Zweite in die einer Wiederstandskämpferin in Norwegen und die Dritte in die eines französischen Kolonial-Soldaten.
In der britischen Mission bekommen wir einen Einblick in die Anfänge des Special Boat Service, einer 1940 gegründeten Kommandoeinheit, die Aufträge in absoluter Geheimhaltung durchführte und mit deren Hilfe die Vorlage geschaffen wurde, der andere Spezialeinheiten in der Welt (einschließlich der eigenen SAS) später folgen sollten.
Die norwegische Kampagne beleuchtet die Bemühungen, die Produktion von "schwerem Wasser" zu unterbinden, was ein wesentlicher Bestandteil des aufstrebenden Atomwaffenprogramms Nazi-Deutschlands war.
Die dritte und vorerst letzte Mission konzentriert sich auf ein Paar Tirailleure, französische Soldaten aus Afrika, die freiwillig in Europa kämpften. Die Tirailleure und deren „Operation Dragoon“ waren eigentlich immer nur eine historische Fussnote, was das Konzept der „Untold Stories“ weiter unterstreicht.
EA und DICE haben bereits eine vierte Kriegsgeschichte angekündigt, wo wir die Rolle eines Deutschen Panzerkommandanten übernehmen. Das Intro der War Stories gibt zudem weitere Hinweise auf neue Geschichten, da wir dort kurze Szenen eines Spitfire-Piloten und aus der Operation Market Garden zu sehen bekommen. Vielleicht kommt da ja noch was? Wir werden sehen...
Unter dem Strich sind die Solo-Inhalte in Battlefield 5 guter Videospiele-Junkfood. Zugegeben, niemand wird jemals das Spiel alleine dafür kaufen, aber als „Bonus“ nimmt man sowas doch gerne mit. Es gibt weitaus schlechtere Möglichkeiten, die Grundlagen seines Infanteriekampfes in den Griff zu bekommen, als bei einer Führung durch einige kurze Szenarien des Zweiten Weltkriegs. Nicht viel von dem erlebten ist historisch korrekt, aber das ist nicht der Punkt. Diese ungewöhnlichen Geschichten von weniger bekannten Theatern des grössten Krieges der Menschheitsgeschichte dienen vielmehr als Mittel, um uns zum Nachdenken zu bringen und anzuerkennen, dass dies ein Krieg war, der von unzähligen Millionen geführt wurde und viele Opfer mit sich brachte.
Fazit:
Ja, es mangelt an Umfang. Ja, es hat noch so einige Bugs. Ja, es fehlen viele der im Vorfeld versprochenen Features. Und ja, es ist nicht besonders historisch akkurat. Who cares!? Wenn ich soviel Spass mit dem Gebotenen haben kann, ist mir das alles persönlich ziemlich Wurst! Battlefield 5 dreht genau an den richtigen Schrauben, um aus der sonst schon soliden Spielerfahrung eine noch viel bessere zu machen. Das Gunplay ist hervorragend, das Beste seit Bad Company 2. Die Karten sind äusserst klug designt, mit vielen versteckten Bereichen. Und endlich wird Taktik und Teamplay wieder gross geschrieben, so dass nicht alle wie kopflose Hühner durch die Gegend rennen. Nach den letzten beiden Teilen müssen wir uns zwar erst einmal wieder an alles gewöhnen, aber dann wird schnell klar: Battlefield 5 ist das beste Battlefield seit Jahren! Dass der Season-Pass weg fällt und die Community beim nächsten DLC nicht auseinander gerissen wird finde ich super. Das sollte immer so sein. Da kann ich auch über die Mikrotransaktionen und ziemlich hohen Preise für Cosmetics hinweg sehen. Ein paar Updates und Patches, und Battlefield 5 wird der absolute Knaller sein, da bin ich mir sicher!
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