Bereits wenige Tage nach dem grandiosen Nioh steht schon Tecmo-Koeis nächste virtuelle Schlachtplatte auf dem Spiele-Speiseplan. Ob Berserk and the Band of the Hawk mehr ist als "Dynasty-Warriors in brutal"?
Für alle die es nicht wissen: Berserk ist ein ultra-brutaler, japanischer Fantasy-Manga der erstmals 1989 veröffentlicht wurde und seither zwei Anime-Serien mit über zwei Dutzend Folgen, drei Kinofilme von Warner Bros. und ein paar Spiele nach sich zog (wir haben 1999 das Spiel für die Dreamcast getestet und waren begeistert). Die Geschichte dreht sich um "Guts", der in einer mittelalterlichen Welt lebt, die von Dämonen bewohnt wird. Er zieht durchs Land und schliesst sich als Söldner allen möglichen Gruppierungen an, kämpft für diese und wird in einen Sog von Gewalt, Sex und Horror hineingezogen. Berserk lebt von seiner expliziten Gewaltdarstellung und den sexuellen Ausschweifungen und ich glaube, dass genau diese Faktoren ein Grund dafür waren, dass der Manga damals so erfolgreich war. So etwas gab es zu dieser Zeit einfach noch nicht.
Obwohl ihr mit unterschiedlichen Charakteren spielen dürft konzentriert sich die Geschichte voll und ganz auf "Guts" und Entwickler Omega-Force hat es sich zur Aufgabe gemacht die komplette Story der 35 Original-Bände ins Spiel zu packen. Keine leichte Aufgabe, denn wer die Comics oder Filme kennt weiss, dass es hier sehr viel Material gibt, das absolut nicht jugendfrei ist. Bewusst war mir dahingehend, dass man wohl mit Abstrichen rechnen und leben muss. Es fehlen sämtliche Sex-Szenen wie auch einige der brutaleren Sterbe-Sequenzen von Hauptdarstellern. Letzteres ist schade, da somit viel vom emotionalen Impact des Originalwerks flöten geht. Man stelle sich in diesem Zusammenhang einfach mal Game of Thrones ohne die "Red Wedding" vor, oder The Walking Dead ohne Negan's berühmten, ersten Auftritt.
Toll hingegen ist, dass man über zwei Stunden Filmmaterial mit ins Spiel gepackt hat, welches die monotone Action stets am richtigen Punkt unterbricht. Monoton deshalb, weil wir es hier grundsätzlich mit nichts anderem, als einen weiteren Dynasty-Warriors Ableger zu tun haben. Dieses mal einfach im „Berserk-Kostüm“ und mit mehr Blut als üblich. Das ist nicht per se ein Kritikpunkt, denn die Spiele sind gameplaytechnisch nach X Ablegern auf sehr hohem Niveau angekommen. Folglich sind die brachialen Kämpfe mit einer angenehmen Spieltiefe das Zentrum von Berserk and the Band of the Hawk.
Das Spiel ist in Missionen unterteilt. Meistens erledigt ihr einfache Ziele wie z.B. alle feindlichen Captains zu töten, Punkte zu erobern oder einfach nur von A nach B zu kommen ohne dabei zu sterben. Ab und zu wird es ein wenig komplizierter, wenn ihr etwa einen Freund vor wiederholten Angriffen eines Bossgegners beschützen sollt. Die Bosskämpfe an sich sind aber eher ernüchternd, ja gar einfallslos und billig. Epische Kämpfe wie im Manga gibt es selten. Die Karten sind dafür gross und vollgestopft mit Feindvolk, so dass ihr euren Combo praktisch endlos fortsetzen könnt. Das macht durchaus Spass, weil die Kämpfe hübsch in Szene gesetzt sind! Zwischendurch schalten sich Challenges frei, die ihr quasi beim Vorbeigehen erledigt und somit Sammelobjekte freischaltet.
Der Umfang ist ok, es gibt im Grunde genommen viel „Spiel“ für’s Geld. Der Inhalt ist aber leider nicht besonders abwechslungsreich. Ihr werdet sagen, dass wir das von der Dynasty-Warriors Serie gwohnt sind und das stimmt auch. Dennoch fällt es hier besonders auf, denn wir haben nur gerade acht spielbare Charaktere zur Verfügung und nicht knapp 80, wie im letzten Dynasty Warriors-Spiel. Äusserst schade, denn eigentlich gäbe es dutzende Helden und Bösewichte im Berserk-Universum. Zudem schreibt euch das Spiel – zumindest im Story-Mode - vor, wann ihr welchen Charakter spielen dürft und die meiste Zeit über ist das einfach der gute, alte Guts. Zum Glück spielen sich die vorhandenen Protagonisten sehr unterschiedlich, dank individuellem Move-Set und unterschiedlicher Bewaffnung. Waffen und Charaktere lassen sich hochleveln, entweder mit Kills oder Items, die man auf dem Schlachtfeld findet. Gerade dieser Aspekt motiviert, auch wenn der Fähigkeiten-Baum recht überschaubar ausgefallen ist.
Grafisch hat mir Berserk and the Band of the Hawk eigentlich gut gefallen. Die Charakter-Modelle sehen toll aus, Omega Force hat sich hier offensichtlich am meisten Mühe gegeben. Besonders beeindrucken sind die Bluteffekte. Der rote Saft fliegt herrlich durch die Gegend und bleibt sogar an Kleidung und Rüstung kleben. Die Umgebungen sind dafür eher schwach und die Weitsicht mit den aufpoppenden Objekten so überhaupt nicht „Next-Gen“. Das würde ich als schlampig bezeichnen. Etwas mehr Liebe seitens der Entwickler hätten die Maps verdient, zumal es trotzdem immer noch zu kleinen Rucklern kommen kann. Musikalisch gibt es treibende und stets zur Situation passende Orchester-Musik auf die Ohren. Die wirklich bekannten Melodien aus dem Berserk-Soundtrack fehlen allerdings, was vermutlich mit irgendwelchen Lizenzrechten zu tun hat. Schade.
Fazit:
Berserk und Dynasty Warriors, das klingt nach einem perfekten Mix. "Übermächtiger Kämpfer mäht im Alleingang tausende Gegner mit rieser Waffe nieder", passt! Leider war sich Tecmo-Koei des riesen Potentials dieses Gaming-Dreamteams wohl nicht so ganz bewusst und spielte lieber auf Nummer sicher. Darum unterscheidet sich Berserk and the Band of the Hawk abseits des roten Saftes leider nicht von den vielen anderen Dynasty Warriors-Ablegern. Gerade die Bossfights hätten so viel mehr sein können, wenn man sich etwas mehr getraut hätte. Dies zeigt sich auch durch die Absenz sämtlicher im Comic prominenten Sex-Szenen. Und wenn Omega-Force genau so viel Enthusiasmus in das Level-Desing und die Technik investiert hätte wie ins gelungene Charakter-Design, wäre Berserk and the Band of the Hawk sicherlich mehr als nur ein weiterer Klon geworden.
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