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The(G)net Review: Dispatch

Dispatch kommt meist ohne Bombast aus und trifft dafür umso direkter ins Bauchgefühl. Ein narrativer Trip, der weniger auf Spektakel setzt als auf fein austarierte Gefühle, zarte Zwischentöne und menschliche Widersprüche. Und genau dort entfaltet Dispatch seine grösste Stärke.


Dispatch Test, Review, Testbericht. Wertung und Fazit.

Ich warte nicht gerne Woche für Woche auf eine neue Episode einer TV-Serie. Das gleiche gilt für Videospiele im Episoden-Format. Dispatch's Enthüllungstrailer war interessant genug, um meine Aufmerksamkeit zu wecken. Anfang Oktober gings los und das Finale der 8 Folgen flimmerte Mitte November über die Bildschirme. Für mich war damit der Zeitpunkt gekommen, das Spiel endlich genauer unter die Lupe zu nehmen.


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Adhoc Studio besteht aus früheren Telltale-Leuten, und das spürt man sofort. Ursprünglich sollte Dispatch ein Live-Action-Spiel werden, doch dann kam die Corona-Pandemie, was die Arbeit mit echten Schauspielern fast verunmöglichte. Später die Einsicht, dass interaktive Erzählkunst im Spielemedium irgendwie besser funktioniert und auch noch Kosten und Aufwand spart, gerade wenn sich die Geschichte alle paar Minuten verzweigt. Eine gute Entscheidung: Dispatch fühlt sich an wie ein perfekt getimter Hybrid aus animierter TV-Serie und interaktivem Drama.


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Wir spielen Robert, einen gefallenen Superhelden, dessen Rüstung schon in den ersten Minuten buchstäblich zerbröselt. Kurz darauf rekrutiert ihn die Organisation SDN (Superhero Dispatch Network), eine Truppe, die ehemalige „Bösewichte“ umerziehen und gleichzeitig die Welt retten will. Klingt natürlich total vertrauenswürdig. Unsere Aufgabe besteht darin, ein Superheldenteam zu Verbrechen und Ereignissen zu navigieren, wo wir strategisch entscheiden, welcher Held oder welche Helden aufgrund ihrer Werte und Charaktereigenschaften am besten für den jeweiligen Job geeignet sind. Dabei müssen stets Abklingzeiten der Spezial-Fähigkeiten im Auge behalten werden. Ab und an gibt's noch ein Hacking Mini-Spiel oder einen eingestreuten Quick-Time Event.


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Fangen wir beim Offensichtlichen an: Dispatch sieht fantastisch aus. Jede Szene wirkt wie ein Screenshot aus einem hochwertigen Animationsfilm. Und das Beste: Kein sinnloses Herumgelaufe. Die Inszenierung trägt uns von Einstellung zu Einstellung wie ein perfekt geschnittenes Storyboard. Die Animationen sind ein Traum, die Kameraführung raffiniert und der Soundtrack ein Volltreffer. Ganz ehrlich: Netflix hätte das genau so als Anime-Serie veröffentlichen können.


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Dispatch überrascht selten mit Action, sondern eher mit Emotionen. Empathie dient hier als Kernmechanik. Es gehört zu dieser seltenen Art von Spielen, die Momente erzeugen, die unter die Haut gehen. Es geht um Verantwortung, Vertrauen und die ständige Angst, etwas falsch zu machen. Die Dialoge sind witzig, verletzlich, feinfühlig und tragen uns tiefer in Roberts Welt, als wir es im ersten Moment vermuten würden. Selbst die Telefongespräche zwischen ihm und seinem Team fühlen sich lebendiger an als mancher NPC in modernen AAA-Spielen.


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Das Gameplay bleibt dabei absichtlich begrenzt. Hier fliegen wir nicht persönlich durch die Stadt oder schiessen Laser aus den Augen. Dispatch ist ein Führungsjob: Team steuern, Entscheidungen treffen, Konsequenzen riskieren. Ein Fünf-Werte-System (Charisma, Kraft, Beweglichkeit, Kampf, Intelligenz) unterstreicht: Erfolg entsteht im Kollektiv, nicht im Ego-Rausch. Die Zeitlimits bei Entscheidungen sind manchmal etwas knapp bemessen, aber genau das erzeugt Spannung. Eine Art kognitiver Sprint, der perfekt zu Roberts innerem Druck passt. Die Mechaniken entwickeln sich subtil weiter. Was erst wie ein lineares Script wirkt, entpuppt sich später als lebendiges System, das auf Unsicherheiten, Pausen und Bindungen reagiert.


Dispatch Test, Review, Testbericht. Wertung und Fazit.

Nur eine angedeutete Romanze wirkt deplatziert. Die Entwickler mussten eigenen Angaben zufolge mehrere erotische Szenen aus dem Spiel entfernen, darunter auch ein paar Sex-Szenen. Das ist äusserst schade, weil es die fein abgestimmte Erzählung kurz aus dem Takt bringt. Man spürt, das da was fehlt, speziell im Handlungsstrang von Blazer. Etwas mehr Mut zur künstlerischen Freiheit hätte hier gut getan. Schliesslich richtet sich das Spiel an ein erwachsenes Publikum. Man munkelt, dass wir jene Szenen aber eventuell doch noch zu Gesicht bekommen, vielleicht in einem "Directors Cut"?


Dispatch Test, Review, Testbericht. Wertung und Fazit.

Dispatch widerspricht dem klassischen Superheldenklischee und trotzdem kann es ab und zu auch mal brachial zu Sache gehen, so dass man sich vielleicht ein kleines bisschen an Invincible erinnert fühlt. Schön auch, dass der Humor nicht zu kurz kommt.


Jede Episode dauert rund eine Stunde, bei 8 Episoden und mehreren Handlungssträngen könnt ihr aber gut und gern über 10 Stunden mit dem Spiel verbringen.



Fazit:

Dispatch kam auf leisen Sohlen und hat mich dann nicht mehr losgelassen. Kein Effektgewitter, kein aufdringlicher Heldentum oder Pathos. Stattdessen ein erzählerisches Drama, das den Mut hat, klein zu bleiben und gerade deshalb gross wirkt. Adhoc Studio nimmt alles, was Telltale einst stark gemacht hat, und verpasst ihm eine moderne, feinfühlige Handschrift: ruhige Intensität, nuancierte Figuren, Dialoge, die mehr sagen als jede Explosion, und eine Inszenierung, die sich wie ein hochwertiger Animationsfilm anfühlt. Ja, es gibt Macken: ein etwas willkürliches Kompetenzsystem, hier und da zu wenig Zeit bei Entscheidungen und Schnitte bei den Romanzen. Aber all das verblasst neben dem, was Dispatch wirklich ausmacht: eine emotional kluge, künstlerisch starke Erfahrung, die das Alltägliche mit einer Ernsthaftigkeit behandelt, die man in Videospielen viel zu selten sieht. Wer narrative Spiele mag, darf sich Dispatch nicht entgehen lassen.


Dispatch Test, Review, Testbericht. Wertung und Fazit.

Dispatch ist als Download für PC und Playstation 5 erschienen. Wir haben uns das Spiel selbst gekauft und auf dem PC (Steam) getestet.

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