The(G)net Review: Midnight Murder Club
- Armin Medic
- vor 3 Stunden
- 4 Min. Lesezeit
Hätte Sony uns keinen Review-Code geschickt, wir wüssten heute noch nichts über die aktuelle Multiplayer-Ballerei. Warum der Konsolenriese den Release nicht an die grosse Glocke hing wie sonst jeden 1st-Party Titel mag unterschiedliche Gründe haben. Unser Redakteur Armin hat recherchiert.

Ziemlich genau ein Jahr ist es her, seit Sony ihren grössten Fehltritt ihrer Softwaregeschichte hingelegt hat. Concorde war die Lachnummer der Industrie. Und mit einem Budget zwischen 200-400 Millionen schlägt die Bilanz sogar die Top Ten der Hollywood Flops, um nur ein paar Wochen nach Veröffentlichung dem ganzen den Stecker zu ziehen. Man kennt die Geschichte.
Einen erneuten Anlauf wagt man nun mit dem 6 Spieler Schummer-Shooter, der auf sehr spezielle Mechaniken setzt. Statt Kriegsgebiete, Camouflage-Uniform und dicke Knarren schwört der Midnight Murder Club auf elegantere Umgebungen. Eingekleidet in edlem Zwirn gilt es, mit einer simplen Handfeuerwaffe und der dazugehörigen Taschenlampe in einem stattlichen Herrenhaus die feindlichen Gegner aus dem Weg zu räumen, bis der Runden Timer austickt.

Je nach Spielmodus schleichen wir alleine oder in 2er bzw. 3er Teams aus der Egoperspektive durch die dunkle Riesenvilla, nur der kleine Lichtkegel unserer Lampe lässt uns einen Teil der Räumlichkeiten erkennen. Das ungewohnte Spielprinzip bedurfte einiges an Eingewöhnungszeit, denn das sehr düster gehaltene Setting mag sicherlich nicht jedermanns Sache sein. Wir hatten es jedenfalls nicht leicht, die ersten paar Kills abzustauben.

Bevor wir uns ins Multiplayer Getümmel stürzten, absolvierten wir ein paar Übungsstunden im Solo Modus mit 5 CPU-Bots. Zur Auswahl stehen Free For All, Duo der Trio-Modi, Loot-Run und Headhunter, eine Art Destroy oder Protect-Match. Im Solo Modus wird automatisch ausgesucht, im Multiplayer wird demokratisch abgestimmt. Der Modus, der die meisten Stimmen erhält, wird für die nächsten paar Minuten gespielt. Sobald wir per Schultertaste unsere Taschenlampe ausschalten, wird es zappenduster. Zwar sehen uns die Gegner nicht, uns geht es aber genauso. Die Taktik ist nun, dass wir in kurzen Abständen unsere Umgebung ausleuchten, die Funzel abschalten und hoffen, dass irgendwo ein Gegner in unser Sichtfeld stolpert.

Ein weiterer Nachteil des lichtlosen Umherschleichens ist das Ausblenden der gesamten HUD. Nur wenn wir die Lampe wieder einschalten, sind die UI-Details samt Minimap erkennbar. Während die CPU-Bots kaum das Licht ausknipsen und schnell gesichtet sind, ändert sich das im Match gegen reale Spieler dramatisch. Wir sehen kaum irgendwelche Lichtblitze und aus Angst, abgeschossen zu werden, nutzen wir wie unsere Widersacher die Dunkelheit als Schutz. Um dem Ganzen ein wenig mehr Pfiff reinzubringen, wählen wir vor dem Spiel unterschiedliche Wildcards aus, die spezielle Effekte wie begrenzte Räumlichkeiten, Geschenk beim Ableben oder mehr Special Items für die bevorstehende Runde aktivieren.

Ab und zu stossen wir in der Dunkelheit auf kleine Klassiermaschinen. Einmal, den Hebel gezogen, spuckt der Kasten hilfreiche Objekte wie Maschinengewehr, Nachtsicht oder einen Gesundheitstrank aus. Eine Runde dauert sechs Minuten. Ist ein Match beendet, werden uns je nach Performance neue Wildcards zugeschanzt und man kann umgehend und ohne grosse Wartezeit in die nächste Runde starten.

Auch wenn das Grundgerüst klar auf Online-Multiplayer ausgelegt ist, versteckt sich hinter der Graveyard Shift ein waschechter Coop-Modus, der aber auch alleine gespielt werden kann. Hier müsst ihr 9 Runden überleben, die stets unterschiedliche Aufgaben von euch fordern. Einmal sollen wir zwei Artefakte im Haus finden und zur markierten Stelle bringen, ein anderes Mal machen wir uns auf die Suche nach Kristallschädeln, die wir vor Ablauf der Zeit zerdeppern müssen. Stets mit der Gun im Anschlag und auf der Hut, dass uns die CPU-Pistoleros nicht ins Nirvana schiessen.
Dass selbst Sony nicht ganz vom Erfolg des Spiels überzeugt ist, zeigt sich an der Vermarktungspolitik. Den Download gibt es nach der 50% Reduktion bereits für nen Zehner und als Murder Club-Mitglied könnt ihr eure Freunde dank Guest Pass umsonst zum Spielen einladen.
Fazit:
Meine Befürchtungen haben sich bestätigt. Wenn selbst die internationale Game Presse kaum oder gar nicht über Sonys neuesten Multiplayer-Versuch berichten, dann kann das nichts gutes heissen. Hätte mich die Chef-Redaktion nicht explizit um einen Test gebeten, an mir wäre der Titel unbemerkt vorbeigezogen. Schon bei Concorde hielt sich mein Spielspass in Grenzen und nach dessen Abschaltung war das Thema sowieso erledigt. Ein ähnliches Schicksal wird mit hoher Wahrscheinlichkeit auch Midnight Murder Club erteilen. Rein technisch läuft die Mörder Hatz ohne jegliche Zicken, der Netcode ist stabil und optisch kann man auch kaum etwas beanstanden. Das Problem liegt beim Gameplay. Ich verstehe das ganze Spielprinzip nicht! Wo nun der Spass liegt, mit einem reduzierten Lichtkegel rumzurennen und dauernd von irgendwo abgeschossen zu werden, weiss ich nicht. Selten hatte ich mich bei einem FPS so gelangweilt und so wenig geballert. Teilweise marschieren wir die halbe Spielzeit durch das Gebäude ohne Feindkontakt, nur um in Sekunden und urplötzlich aus dem Hinterhalt niedergemäht zu werden. Der Coop-Modus spielt sich zwar ein wenig besser, aber die vorgesetzten Aufgaben sind so uninspiriert und öde, dass einem die Lust am Ballern vergeht. Hinzu kommt das chaotische und unübersichtliche Prinzip der Wildcards. Kein Wunder befinden sich zum aktuellen Zeitpunkt gerade nur 34 Spieler auf Steam online (die PS User Zahlen sind unbekannt, dürften aber kaum höher liegen), wobei der absolute Peak bei 182 Murder Club-Partizipanten lag. Die Zukunft von Midnight Murder Club ist in etwa so wie das fragliche Spielkonzept: Ziemlich düster.

Midnight Murder Club ist für PS5 und PC erschienen. Wir haben das Spiel auf der PS5 getestet. Das Test-Muster stammt von Sony, wofür wir uns herzlich bedanken!