The(G)net Review: Romancing SaGa Minstrel Song Remastered International Edition
- Sascha Böhme
- vor 2 Stunden
- 3 Min. Lesezeit
Ich bin mit rundenbasierten JRPGs von Square Enix gross geworden, aber mit Romancing SaGa hatte ich bislang nichts am Hut. Umso spannender war es, Romancing SaGa Minstrel Song Remastered International (kurz: RSMRI) erstmals zu erleben, ohne Nostalgiebrille, nur mit dem Wissen, dass Square Enix schon immer zu den wenigen Studios gehörte, die im Genre wirklich Risiken eingehen.

Romancing SaGa: Minstrel Song ist ein 2025er "Update" der 2022 überarbeiteten Version eines 2005 für die PlayStation 2 erschienenen Remakes eines 1992 von Squaresoft für das SNES veröffentlichten Rollenspiels. Die vorliegende internationale Ausgabe bringt endlich mehrere europäische Sprachen ins Boot und verbessert weiter die Optik. Es ist ein klassisches JRPG, das sich bis heute stur weigert, in irgendeine Standardschublade zu passen.

Die Story ist dabei kaum der Rede wert, begleitet von hölzerner Sprachausgabe und fast schon absichtlich blassen Figuren. Der wahre Kern steckt im Questnetz. Minstrel Song ist ein anarchisch-offenes Abenteuer, ohne lineare Handlungsbögen. Experimentieren ist King. Wir wählen einen von acht Protagonisten, erkunden eine offene Welt, rekrutieren bis zu 44 Charaktere und haben sehr viel Freiheiten, aber fast keine klare Führung. Es gibt keine klassischen Charakterlevel und keine sichtbare XP. Stattdessen verbessern sich Klassen, Fertigkeiten und Werte über Kämpfe, Juwelen und Gold.

Das Freischalten neuer Fähigkeiten ist in RSMRI ein kurioses Glücksspiel: Benutzen wir eine Waffe lange genug, hat unser Charakter aus heiterem Himmel und urplötzlich eine Eingebung. Das Spiel verrät uns weder Fortschritt noch Reihenfolge, und Fähigkeiten erscheinen mal hier, mal dort, mal gar nicht. Ich habe sogar Kämpfe exakt gleich wiederholt und völlig unterschiedliche Ergebnisse bekommen. In einem ausgewogenen System wäre diese Spontanmechanik charmant. In einem unausgewogenen wie diesem sorgt sie vor allem dafür, dass mühsam erlangte Skills im ständigen Save-Lade-Marathon untergehen.

Das grösste Problem bleibt die Balance. Gegner skalieren gnadenlos mit und überholen unsere Gruppe gefühlt immer einen Schritt früher, als es uns lieb ist. Am Anfang habe ich solo eine komplette Zone plus drei Mini-Bosse abgeräumt. Kaum zwei Runden später waren die gleichen Gegner plötzlich zäh wie altes Leder und hielten Treffer aus, die sie vorher zerlegt hätten. Da uns das Spiel keine HP-Anzeigen gönnt, wird jeder Kampf zur Schätzung und jeder Fehler frustriert. Dominanz zu fühlen gehört zum JRPG-Kern. Hier erreicht man sowas praktisch nie. Das macht auch das Freischalten von Nebenwaffen sinnlos, weil niemand Lust hat, Züge mit schwachen Angriffen zu vergeuden.

Die Charakterentwicklung ist dafür extrem flexibel. Jeder kann jede Waffe führen, jede Magieschule lernen und per Kristallen beliebig umgeskillt werden, zumindest, solange man mit den Einschränkungen lebt. Wer Feuer lernt, bekommt kein Wasser, logisch. Praktisch hat das kaum Gewicht, weil Magie ohnehin teuer und umständlich ist, zwingt aber zu strategischer Planung.

Das Kampfsystem setzt auf mehrere Ressourcen gleichzeitig: BP für Aktionen, DP für Waffenhaltbarkeit und LP als Lebenspunkte, die bei 0 zum permanenten Verlust eines Charakters führen. Heilung dieser Ressourcen gibt es fast nur in Gasthäusern. In Kombination mit einem dynamischen Schwierigkeitsgrad, bei dem Gegner mitskalieren und oft schneller stärker werden als die eigene Gruppe, führt das zu häufigem Save-Scumming und einem Gefühl, nie wirklich die Oberhand zu gewinnen. Dem Kampfsystem an sich kann man jedoch schwer böse sein. Schön oldschool, rundenbasiert und immer noch erstaunlich dynamisch.

Abseits der Kämpfe wirkt das Spiel wie ein typisches PS2-JRPG. Gold ist knapp, Zauber sind sündhaft teuer, die ersten Rüstungen kaum erschwinglich. Immerhin gibt’s sieben Ausrüstungsslots und ein solides, wenn auch unübersichtliches, Vergleichssystem. Rätsel wie verschiebbare Statuen sind Genre-Standard. RSMRI bietet faszinierende Ideen, aber ein System, das sich allzu oft gegen den Spieler stellt.

Technisch und audiovisuell macht das Remaster vieles richtig: Man sieht zwar die PS2-Herkunft, aber die überarbeiteten Texturen, Menüs und Details wirken solide, der Stil ist stimmig, und der Soundtrack samt umfangreicher Sprachausgabe ist klar eine Stärke. Das Spiel spiegelt die Blütezeit der Square-Enix-JRPGs wider, inklusive opulenter Musik und markanter Spezial-Effekte. Gleichzeitig krankt das Erlebnis am extrem langsamen Pacing, der trägen Progression und dem Mangel an Komfortfunktionen wie klaren Wegpunkten oder optionalen Schwierigkeitsgraden.
Fazit:
Wer die Reihe liebt oder gezielt nach einem etwas anderen, sperrigen JRPG sucht, findet hier enormen Wiederspielwert: acht Starthelden, viele Builds, Magieschulen, Waffenarten und Klassen laden zu mehreren Durchgängen und fröhlichem Experimentieren ein. Für Genre-Neulinge oder Spieler, die sich gerne mächtig und belohnt fühlen, ist RSMRI aber nur schwer zu empfehlen. Es wirkt oft mehr wie ein Designexperiment aus einer anderen Zeit als wie ein rundes, modernes Spielerlebnis. Beeindruckend mutig, aber anstrengend und selten wirklich unterhaltsam.

Romancing SaGa Minstrel Song Remastered International Edition ist für PS4, PS5, Nintendo Switch und PC erschienen. Wir haben uns das Spiel auf der Switch angesehen. Das frühe Test-Muster stammt von Red Art Games, wofür wir uns herzlich bedanken.







