The(G)net Review: Cronos: The New Dawn
- Sascha Böhme

- 5. Sept.
- 4 Min. Lesezeit
Es gibt Spiele, die man spielt, und es gibt Spiele, die einen verschlingen. Cronos: The New Dawn gehört für mich definitiv zur zweiten Kategorie. Schon nach den ersten Minuten war ich geflasht: Hier hat jemand nicht nur Dead Space kopiert, sondern gleich den ganzen Survival-Horror-Altar mit frischem Blut und Wahnsinn gefüttert.

Gleich vorweg: Cronos ist nichts für schwache Nerven. Das fängt bei der grauenvollen Body-Horror Thematik an und endet beim gnadenlosen Schwierigkeitsgrad. Die Handlung ist konfus und erstreckt sich über zwei verschiedene Zeitachsen: Zum einen spielt es in einer post-apokalyptischen Zukunft, zum anderen in der harten Realität der 1980er-Jahre.

Du spielst einen Reisenden, der zwischen Vergangenheit und Zukunft wandeln kann. Auf der einen Seite ein zerstörtes Polen, verwüstet durch „The Change“. Auf der anderen eine Zukunft voller deformierter Monster, die durch die Ödlande streifen. Durch Notizen und Sprachaufnahmen setzt du dir wie ein Archäologe des Schreckens langsam zusammen, was passiert ist und stolperst dabei immer wieder über tragische, persönliche Geschichten von Menschen, die an dieser Katastrophe zerbrochen sind. Oft wird man dabei an aktuelle Geschehnisse erinnert, wie beispielsweise die Corona-Pandemie von 2020.

Das Gameplay schleppt dich mit einem Gewicht durch die dunklen Korridore, das an Isaac Clarke’s träge, aber wuchtige Schritte erinnert, nur dass Cronos noch ein paar Schrauben lockerer hat. Und auch hier sollen, wie im grossen Vorbild, getötete Feine zerstampft oder - noch besser - die Überreste gleich abgefackelt werden. Denn tut man das nicht, werden die Kreaturen die Leichname absorbieren und so noch gefährlicher.

Eine deiner Aufgaben: Essenzen verstorbener Menschen sammeln. Sie können dir helfen oder dich in den Irrsinn treiben. Je tiefer du gehst, desto mehr nagt der Wahnsinn an deinem Verstand und verdreht dein Gameplay. Plötzlich vertraust du dir selbst nicht mehr. Du kämpfst gegen Monster und gleichzeitig gegen dein eigenes Hirn.

Und diese Kämpfe… mein Gott. Kugeln sind Mangelware, ebenso der Platz in deinem Inventar. Du weisst nie: ballern oder lieber rennen? Jeder Gegner kann dich überfordern, weil du schlicht nicht weisst, ob du die Mittel hast, ihn endgültig zu erledigen. Selbst wenn er zu Boden geht, bleibt die Panik. Er könnte wieder aufstehen. Richtig tot sind sie nur, wenn du sie verbrennst. Ein Flammenwerfer hilft, nur ist dessen Munition extrem knapp. Gut, dass man sich aus gefundenen Ressourcen Munition für alle Waffen basteln kann und ab und zu sogar Dispenser-Stationen für Nachschub sorgen.

Upgrades gibt’s selbstverständlich auch. Nachladegeschwindigkeit, Schaden, Magazin-Grösse, Treffsicherheit, das übliche Programm. Aber egal wie viel du investierst, es reicht irgendwie nie. Die Währung für Verbesserungen liegt zwar überall in den Levels herum, aber sie ist so knapp bemessen, dass dir jeder Punkt eine schlaflose Nacht beschert. Und während du haderst, bricht schon wieder ein Monster aus der fleischigen Wand. Wer glaubt, Survival-Horror sei in den letzten Jahren weichgespült worden, wird hier eines Besseren belehrt. Cronos: The New Dawn erinnert gnadenlos an die alte Schule: Ressourcenmangel, Isolation, Panik in den Fluren, Hilflosigkeit im Angesicht des Grauens. Bloober Team hat die Balance perfekt getroffen, irgendwo zwischen klassischem Terror à la Silent Hill 2 und dem brachialen Nervenkitzel eines Dead Space.

Die Atmosphäre? Göttlich finster. Cronos versteht es meisterhaft, dich zwischen Hoffnung und Verzweiflung zu zerquetschen. Der Sound wabert wie giftiger Nebel durch die Hallen, die Lichter flackern in genau dem Moment, in dem du dir wünschst, sie würden es nicht tun, und die Gegner schreien nicht einfach, sie bohren sich mit jedem Laut in dein Nervensystem. Es ist eine Stimmung, die dich sofort an die besten Momente von Dead Space erinnert, aber gleichzeitig die psychologische Tiefe und den subtilen Terror eines Silent Hill heraufbeschwört. Manchmal reicht ein leerer Raum und ein tropfendes Rohr, um dich härter zu treffen als ein Bosskampf. Apropos Bosse, da gibt's so einige und sie sind alle knallhart!

Technisch gibt es kaum Anlass zum Jammern. Die Steuerung sitzt, die Grafik flutscht und glänzt vor morbider Detailverliebtheit, und das Gegnerdesign ist so grotesk, dass selbst Cronenberg anerkennend nicken würde. Jedes Setting und jede Begegnung ist ein kleines Kunstwerk des Grauens, jeder Kampf ein Tanz auf Messers Schneide.

Nach gut 20 Stunden hat der Wahnsinn dann ein erlösendes Ende und wer Bock hat, startet gleich ein New Game+ und sammelt noch die letzten Collectables ein. Dazu gehören übrigens auch Katzen. Und wer mich kennt weiss, dass ich als zweifacher Katzen-Papa bei sowas die Wertung gleich nochmal um einen halben Punkt erhöhe!
Fazit:
Es fühlt sich so an, als hätte Bloober Team nach dem Silent Hill 2 Remake endlich die Kurve gekriegt. Davor gab’s gute Spiele, ja, aber nichts, das wirklich in die Geschichtsbücher gehört. Cronos: The New Dawn ist anders. Es versteht das Survival-Horror-Genre nicht nur, es lebt es, atmet es. Von der ersten Minute an sitzt dir die Angst im Nacken wie ein hungriger Dämon, und sie lässt dich bis zum Abspann nicht mehr los. Das hier ist pures, unverfälschtes Survival-Horror-Gold. Keine billigen Jump-Scares, kein Hollywood-Kitsch, nur blanker Terror, groteske Kreaturen und ein gnadenloses Spielgefühl, das dir alles abverlangt. Bloober Team liefert hier sein Meisterstück ab und zeigt, dass sie nicht nur Remakes können, sondern auch originäre Albträume erschaffen, die sich mühelos neben Genre-Grössen wie Dead Space und Silent Hill einreihen. Wer starke Nerven hat, bekommt hier eines der besten Survival-Horror Spiele der letzten Jahre.

Cronos: The New Dawn ist für PC, PS5 und Xbox Series X|S erschienen. Wir haben das Spiel auf der PS5 Pro gespielt. Das Test-Muster haben wir uns selbst gekauft, natürlich bei WoG.ch!











Kommentare