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The(G)net Review: Gran Turismo 7

Die Veröffentlichung eines neuen Gran Turismo ist immer ein Meilenstein. Seit dem Release des ersten Teils hat sich die Reihe zu einer der beliebtesten und erfolgreichsten Rennspielserien der Geschichte entwickelt. Ab Teil 6 und dem «Sport» Ableger ging’s aber leicht bergab. GT7 will diesen Zustand korrigieren. Ob es geklappt hat?



Zu Zeiten von GT3 gab es für mich kein anderes Rennspiel. Ich hab mir damals sogar eine «Racing-Rig» aus Holz und mit Autositz und Lautsprechern gebastelt, weil es noch keine Rennsitze gab. Hat damals sogar für einen TV-Auftritt gereicht. Selbst 24 Stunden Rennen in Echtzeit hab ich mit Freunden durchgeführt. Eine tolle Zeit, die ich nicht missen möchte. Mit dem Release von GT6, spätestens aber beim Erscheinen des direkten Konkurrenten Forza Motorsport 7 von Microsoft, war meine Euphorie für Gran Turismo im Keller. Und auch wenn sich Version 6.5 alias "GT Sport" im Laufe der Zeit bewähren konnte und genügend Inhalte nachgeschoben wurden, war es immer noch nicht das Gran Turismo, in das ich mich vor langer Zeit verliebt hatte.


Dem Vergleich mit Forza Motorsport 7 muss sich GT7 nach wie vor stellen und auch wenn sich beide in gewisser Weise ähnlich sind, ist der Ansatz doch ein völlig anderer. Bei Forza geht es mehr um die Liebe zum Auto als Symbol für Stärke und Kraft, bei Gran Turismo eher um die Liebe zum Auto als technisches Wunderwerk. Und das zeigt sich schon in den ersten Sekunden nach dem Start von Gran Turismo 7, das uns mit einem wunderschönen Intro begrüsst, das den Fortschritt der Automobilindustrie der letzten 100 Jahre stilvoll aufzeigt.



Gleich zu Beginn werden wir vor die Wahl gestellt: Entweder wir beginnen die Karriere als Autosammler oder starten eine Fahrer-Karriere mit einer "musikalischen Kuriosität", bei der wir eine ausreichende Anzahl von Kilometern zur Melodie eines klassischen Liedes fahren müssen, bis die Zeit abgelaufen ist. Nach dem Rennen dürfen wir uns die filmische Wiederholung ansehen, die mit dem Rhythmus des Soundtracks synchronisiert wird. Danach wird man in bester Support-Chat Manier von prominenten Persönlichkeiten in die Karriere eingeführt, darunter berühmte Autodesigner und -Konstrukteure. Ein ziemlich unkonventioneller Einstieg.


Ebenso andersartig geht’s weiter. Wir besuchen ein lokales Café, das neben Trivia eine lokale Speisekarte mit Herausforderungen bereit hält, bei denen wir meist drei Autos aus einer bestimmten Kategorie gewinnen müssen, angefangen bei langsamen Kompaktklassen, bis hin zu Supersportlern und Rennwagen. Das Ziel ist klar: so viele Autos wie möglich sammeln. Steigt man im Sammlerrang auf, gibt’s zur Belohnung neue Events und Bereiche im Hub. Auf dieser Landkarte entdecken wir u.A. den Klassiker: Lizenzen. Anders als in der Fahrschule von Gran Turismo Sport stellen die Quests aber eher unsere Fähigkeiten auf die Probe, als dass sie uns die einfachsten Dinge beibringen. Glück gehabt! Gold zu erreichen stellt aber nach wie vor eine Herausforderung dar. Und genau wie früher brauchen wir für bestimmte Veranstaltungen und Meisterschaften Lizenzen, also können wir die «Schnecken-Klasse» nicht einfach überspringen und uns gleich auf die Rennwagen stürzen.



Egal ob mit oder ohne Lizenz, die Rennen starten wir immer vom letzten Platz aus. Dinge wie Qualifying, Boxenstopps und Ähnliches sind weiterhin nur im Online-Modus möglich. Polyphony Digital ist wohl der Meinung, dass Überholen die interessanteste Aktivität für Einzelraser darstellt und so ist jedes Karriere-Race eine Aufholjagd. Alle Rennen werden durch die technische Bewertung der Autos bestimmt - je höher die Zahl, desto besser das Auto. Bis zu einem bestimmten Punkt in der Karriere gibt’s dahingehend keine Einschränkungen, sodass wir stets das stärkste Auto in unserer Garage auswählen dürfen. Die technische Einstufung bedeutet nicht zwangsweise, dass man gegen höher eingestufte Konkurrenten keine Chance hätte. Auf dem normalen der drei Schwierigkeitsgrade kann man mit Geschick und Können auch mit 100 Wertungspunkten Rückstand einen Sieg holen. Die Belohnungen sind übrigens immer dieselben, egal auf welchem Level man spielt.


Haben wir genug Kohle beisammen, geht’s ab zum Gebrauchtwagenhändler. Hier ist das Angebot zunächst nicht allzu gross, aber es wird von Zeit zu Zeit aktualisiert. Es lohnt sich also, öfters vorbeizuschauen und zu sehen, ob nicht vielleicht doch plötzlich ein Ferrari 458 Italia zu einem günstigen Preis angeboten wird. Wie im echten Leben sind Gebrauchtwagen mit vielen Kilometern oft nicht im besten Zustand. Hier kann ein kurzer Service helfen. Motor säubern, das Öl wechseln, die Karosserie ausbauen, ein Waschgang und schon brummt die olle Gamelle wieder. Wer mehr Geld zur Verfügung hat und einen bestimmten Neuwagen sucht, darf selbstverständlich beim passenden Vertragshändler vorbeischauen, bei dem über 400 Fahrzeuge zur Auswahl stehen. Hier darf man auch ausgedehnt in die Geschichte der Marken eintauchen, das Museum besuchen oder sich mit Infos rund um weltbekannte Maschinenbau-Legenden eindecken.



Neuwagen sind natürlich verhältnismässig teuer und wer sich einen echten Rennwagen leisten will, muss schon einige Runden drehen und tief in die Tasche greifen. Siege, tägliche Meilensteinprämien und die neuen Lotterie-Lose (aka «Lootboxen») spülen Bares in die Kasse – beim Letzteren, wenn man Glück hat, vielleicht sogar ein Auto. Wenig überraschend, dass da auch ein Echtgeld-Shop mit von der Partie ist. Wer die Faxen dicke hat darf sich also gerne in-game Credits via Kreditkarte besorgen und dann ungeniert auf Shopping-Tour gehen. Hurra…….


Auf der Strecke spüren wir keine grundlegenden Veränderungen zum Vorgäner, ausser dass einige der Bordsteine und Curbs ziemlich hoch und gefährlich geworden sind. Das Spiel ist immer noch ein extrem realistischer, sehr nuancierter Fahrsimulator. Wie Polyphony Digital verkündet, haben sich die Entwickler mit vielen Experten beraten, darunter auch der siebenfache Formel-1-Champion Lewis Hamilton (hier als "Maestro" bezeichnet), um das Fahrverhalten so realistisch wie möglich zu gestalten. Zur Geltung kommt das vor allem, wenn sich die Wetterbedingungen ändern. Das neue dynamische Wettersystem sorgt regelmässig für Spannung, wenn gegen Ende des Rennens plötzlich Regen einsetzt und uns – wie auch der KI – das Leben schwer macht. Auf längeren Strecken, wie der Nordschleife, kann es auf einem Teil regnen und auf dem anderen trocken sein. Leider gibt es keine Möglichkeit, sich vor dem Rennen über die Wetterlage zu informieren – sonst wärs ja nicht dynamisch. Erst wenn wir das Rennen starten gibt’s einen Einblick in den Wetterradar. Hat man dann die falschen Reifen montiert, wird oft neu gestartet, aber dann kann auch die Wetterlage wieder ändern. Die Wahl der richtigen Gummis ist demzufolge eher schwer und eine falsche Bereifung schickt uns schnell in den nächsten Graben. Selbst Pfützen sorgen für Aquaplaning und lassen unvorsichtige Rennfahrer in Nullkommanix von der Strecke schlittern. Zugegeben, das klingt alles ein bisschen beängstigend, vor allem, wenn das Wetter am Ende eines langen Laufs drastisch umschlägt, aber das Gefühl, unter schwierigen Bedingungen zu gewinnen, ist ein ziemlich befriedigendes.



Nach den ersten Rennen fand ich mich dann in der komischen Situation wieder, kein Auto zu besitzen, das für die anstehenden Aufgaben stark genug wäre. Da hilft nur noch ein ausgiebiges Tuning und obwohl die Auswahl an Teilen recht überschaubar ausfällt, machen sie doch einen echten Unterschied. Natürlich darf man auch das Äussere des Wagens anpassen. Spoiler, Endrohre, Aufkleber und Lackierungen werden entweder selbst angebracht, oder man lädt sich einfach ein vorgefertigtes Design eines anderen Spielers runter.


Haben wir genügend Rennen absolviert, werden wir zu einem Turnier eingeladen, für die meist strenge technische Anforderungen und eine entsprechende Lizenz nötig sind. Ausserdem gewinnen wir in diesen Meisterschaften stets ein Auto nach Wahl, womit sich der spielerische Kreis von GT7 schon wieder schliesst. Wer sich jetzt fragt, wo Drifting, Drag Racing, Rally oder Verfolgungsjagden bleiben sei beruhigt. Diese Events stehen zwar nicht in der Karriere zur Wahl, wohl aber als separate Prüfungen. Eigentlich schade, denn die recht biedere Kampagne hätte von mehr Abwechslung profitiert.



Richtiggehend frustrieren kann das neue Regelwerk, bzw. das komplette Fehlen des selbigen. Nachdem uns GT Sport eine Online-Netiquette beibrachte und uns zwang, die Rennen gegen Mitspieler möglichst fair über die Runden zu bringen, darf in GT7 wieder nach Herzenslust gerammt werden. Da ist man schon fast wieder froh, dass ein Schadensmodell fehlt, ansonsten würden unsere Boliden im Handumdrehen wie Schrotthaufen daherkommen. In Monza schneiden wir in der berühmten Haarnadelkurve regelmässig anderen Fahrern den Weg ab, ohne Konsequenzen. Dass dann doch ab und zu die gelbe Flagge geschwenkt wird überrascht und irritiert, nicht zuletzt, weil unklar ist, ob es ein Bug, ein Versehen oder doch nur vom Skript vorgegeben ist. Das Einzige, was mich irgendwie motiviert die Regeln einzuhalten, sind Ordnungsbussen. So werden halt Bonuspunkte am Ende des Rennens sporadisch einfach nicht ausbezahlt. Ob man zuvor die Wand geküsst oder einen Kollegen von der Strecke geschoben hat, spielt für den Fortschritt keine Rolle.


Ein weiteres Problem für Einzelspieler sind die Bots. Sony hat zwar gerade erst eine «KI der nächsten Generation» im Zusammenhang mit GT7 vorgestellt, bloss weiss niemand, wann diese KI in GT7 Einzug hält. Implementiert ist sie jedenfalls noch nicht. Nach GT Sport haben die Entwickler versprochen, dass sie die KI ein bisschen schlauer machen und die Bots nicht mehr so aggressiv ihre Fahrspur verteidigen würden. Davon ist wenig bis gar nichts zu spüren. Einen Rückspiegel scheinen die Kameraden nicht zu haben und es kommt häufig vor, dass sie uns mit vollem Karacho von der Strecke fegen. Selbst der verhasste Gummiband-Effekt ist spürbar, will heissen, ich komme fast mühelos bis zum 3. Platz, habe dann aber plötzlich Riesen Mühe, die Führenden zu überholen bzw. hinter mir zu lassen.



Was Polyphony exzellent hinbekommen hat, ist der technische Aspekt des Spiels, gerade auf der PlayStation 5. Ja, GT sah schon immer super aus, nicht zuletzt wegen der sehr realistischen Beleuchtung. Meistens wurde die Optik jedoch immer durch die eher mittelmässige Umgebung verdorben. Jetzt sieht die Welt abseits der Tracks richtig gut aus, und in Verbindung mit dem wechselnden Wetter und den Tageszeiten wird die Grafik zum echten Spektakel. Raytracing ist natürlich mit dabei, wobei sich die realistischen Spiegelungen auf den Fotomodus, die Händler und Replays beschränkt. In-game gibt’s leider kein RT, dafür aber volle 4k und 60fps. Schade, denn gerade bei regnerischem Wetter wirkt sich Raytracing dramatisch auf die Bildqualität aus und man kann sich gar nicht satt sehen. Ergänzt wird die hervorragende Technik durch eine ausgezeichnete Implementation des DualSense Controllers und einem exzellenten Ton, der zwar keine neuen Massstäbe setzt, aber viel satter geworden ist.


Eine unangenehme Überraschung könnte der Online-Zwang von Gran Turismo sein. Ohne funktionierende Internetverbindung kann man das Spiel zwar starten, wird aber von der Karriere und allen Events abseits der öden Musikrallyes und Einzelrennen ausgeschlossen. Diese Entscheidung ist höchstwahrscheinlich auf Cheater zurückzuführen, kontrovers ist sie aber trotzdem.



Fazit:

Besser als GT6 und "Sport"? Ganz klar! Aber aufgrund der Tatsache, dass GT7 so steril, kühl und spassbefreit daherkommt, hatte ich trotzdem meine Liebe Müh’ und Not, Motivation zu finden und dran zu bleiben. Gerade die langatmige und äusserst bieder inszenierte Einführung sowie das klobige User Interface sind ein Graus. Entweder liegt es daran, dass Schöpfer Yamauchi-San sich und sein Spiel viel zu ernst nimmt, oder einfach daran, dass er in erster Linie Autohändler, Rennfahrer, Ingenieure und Besserverdiener ansprechen will. Unter der spiessigen Aufmachung verbirgt sich dann aber ein Spiel, über dessen Eleganz, Detailbesessenheit und Technik man keine schlechten Worte verlieren kann und darf, ganz im Gegenteil. Gran Turismo 7 spielt seine Stärke und Brillanz auf der Rennstrecke aus. Man sieht, wo die Prioritäten lagen. Wenn ich mit 250 Sachen des Nachts und bei starkem Regen über den Nürburgring brettere, jede Pfütze und Unebenheit mit dem Dualshock Controller hautnah erlebe und von Scheinwerferlicht geblendet werde, ist alles vergeben und vergessen. Es ist nur schade, dass ich viele Spielstunden investieren muss, bis sich derart spassige Rennen eröffnen. Zuvor tuckert man viel zu lange mit lahmen Krücken durch die Pampa. Trotz einiger Schwächen bei der KI, dem verkorksten Regelsystem für Online-Rennen und dem weiterhin fehlenden Schadensmodell ist Gran Turismo 7 ein hervorragendes Rennspiel geworden, das Liebhaber des Simulations-Sports voll und ganz zufrieden stellen wird.



Gran Turismo 7 haben wir auf einer Playstation 5 getestet. Das Spiel gibt es nur für Playstation Konsolen, also auch für PS4. Das Test-Muster stammt von Sony Interactive Entertainment, vielen Dank dafür!


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