The(G)net Review: Project Motor Racing
- Simon Martella
- vor 12 Minuten
- 5 Min. Lesezeit
Project Motor Racing ist so ein Spiel, bei dem man sofort merkt, dass die Entwickler eine klare Haltung haben. Hier wird niemand an der Hand genommen. Hier gibt es keine Show und keine weichen Übergänge. Das Spiel sagt im Grunde schon im Menü: Wenn du fahren willst, dann fahr. Wenn du dich unterhalten lassen willst, geh woanders hin. Und ich muss ehrlich sagen, je länger ich gespielt habe, desto mehr verstand ich diese Haltung. Sie ist mutig, manchmal stur und manchmal sogar frustrierend, aber sie hat Charakter.

Ich habe die PS5 Version mit dem Logitech G29 getestet und gleich beim ersten Start hat mich der Sound weggeblasen. Wenn man Vollgas gibt und das Wheel anfängt zu arbeiten, merkt man sofort, dass hier jemand die Physik ernst nimmt. Der Motor baut Druck auf, der Untergrund verändert sich spürbar, die Reifen melden sich. Ich hatte bei vielen Autos das Gefühl, dass sie zu mir sprechen wollten. Du weisst, wenn du es versaust, liegt es nicht am Spiel. Es liegt an dir. Und genau das wollte ich.

Das Fahrverhalten ist meiner Meinung nach das Herzstück des Spiels. Und genau da liefert Project Motor Racing ab. Autos fühlen sich nicht nur unterschiedlich an, sondern komplett eigenständig. Ein Klassiker aus alten Zeiten fährt sich wie ein Klassiker. Hart, schwer, bockig. Ein moderner GT3 dagegen liegt wie ein Brett und reagiert auf jede Eingabe. Ein Prototyp fühlt sich dann wieder wie eine Mischung aus Hochpräzisionswerkzeug und tickender Bombe an. Dieses Gefühl, dass wirklich jedes Auto einen eigenen Charakter hat, ist für mich der grösste Triumph des Spiels. Viele Rennspiele behaupten das, aber hier spürt man es wirklich. Keine Kopien, keine Palette aus Variationen. Jedes Auto ist echt und hat seine Launen. So konnte ich mit dem Porsche 911 ein Rennen gewinnen und mit dem Sauber C4 kaum eine Runde ohne Fehler absolvieren. Je mehr Beschleunigung und Kraft ein Fahrzeug hat, um so herausfordernder ist das Fahren.

Was mich besonders beeindruckt hat, waren die Einstellmöglichkeiten. Die Sicht im Cockpit, die Position im Sitz, die Feinheiten am Setup. Fast alles hat eine spürbare Auswirkung. Nicht so wie bei Spielen, wo man etwas verändert und am Ende nicht mal sicher ist, ob sich wirklich etwas getan hat. Hier verändern Kleinigkeiten sofort das ganze Gefühl. Das Spiel zwingt dich dazu zu lernen, zu verstehen und dein Auto zu fühlen. Das ist für mich echtes Sim Racing.

Der grösste Dämpfer kommt bei der Präsentation. Und da muss ich wirklich ehrlich sein. Vor einem Rennen passiert praktisch nichts. Es gibt keine Stimmung, keine Momente, die dich packen. Man wird einfach ins Rennen geworfen. Alles wirkt steril, fast schon kalt. Ich hatte oft das Gefühl, ich sitze in einer Testumgebung oder einem Entwicklermodus, statt in einem richtigen Rennwochenende. Kein Kommentator, keine Atmosphäre, keine Dynamik. Das ist schade, weil ein bisschen Motorsport Flair das Erlebnis massiv verbessern würde. Vor allem, weil der Rest des Spiels so viel richtig macht. Ich verstehe den Ansatz. Rennsport pur. Keine Ablenkungen. Alles auf den Kern reduziert. Aber emotional holt es einen nicht ab.

Die Grafik ist ok, aber mehr auch nicht. Sauber, funktional, aber weit weg von beeindruckend. Es gibt Momente, da sieht das Spiel gut aus, aber es erreicht nie das Niveau eines Gran Turismo 7. Und ja, ein Spiel muss nicht perfekt aussehen, wenn die Physik stimmt. Aber im Jahr 2025 erwarte ich visuell einfach etwas mehr. Vor allem, weil die Fahrphysik so stark ist, dass eine gute Inszenierung das Ganze auf ein neues Level heben würde. Das Potenzial wäre da und das sieht man an vielen Stellen.

Der Karrieremodus ist interessant, aber genau wie der Rest des Spiels ziemlich nüchtern. Man verdient Geld, zahlt Startgebühren, verwaltet Schäden und hangelt sich nach oben. Es funktioniert, aber es fühlt sich eher nach Verwaltung als nach Karriere an. Keine Story, keine Bindung, kein Gefühl von Fortschritt ausser dem Konto und den Ergebnissen. Für Sim-Puristen ist das wahrscheinlich genau richtig. Für Casual Gamer, die etwas erleben wollen, eher weniger. Die Langzeitmotivation für Gelegenheitsspieler wird eher klein bleiben, während Sim-Rennfahrer immer wieder gern einschalten.

Online zeigt sich das wahre Ziel des Spiels. Project Motor Racing will ESport. Und zwar richtig. Ranglisten, Events, Crossplay und Lobbys, die sauber funktionieren sollen. Das Spiel schreit regelrecht danach, dass man es kompetitiv fährt. Kein Schnickschnack, nur Skill gegen Skill. Wenn die Community wächst und die Entwickler konsequent am Ball bleiben, sehe ich hier ein enormes Potenzial für organisierte Ligen und Turniere. Die Basis dafür ist stark.

Project Motor Racing läuft auf der Madness Engine, also der gleichen Basis, die früher schon bei Project CARS für starke Physik, dynamisches Wetter und ein glaubwürdiges Fahrgefühl gesorgt hat. Unter der Haube arbeitet ein komplett neu entwickeltes Physikmodell, das stärker auf Telemetrie und Realdaten setzt. Genau deshalb spürt man am Lenkrad jede minimale Veränderung im Setup. Beim Umfang liefert das Spiel rund 70 Lizenzfahrzeuge, mehrere Klassen, realistische Reifenmodelle, ein voll dynamisches Tag-Nacht-System und Wetter, das die Strecke tatsächlich verändert. Multiplayer ist von Anfang an als Kernfeature gedacht: dedizierte Server, Crossplay, Ligen, Safety-Rating, Time-Trial-Leaderboards und geplante ESport-Events. Auf der PS5 läuft das Spiel grundsätzlich stabil, aber die Grafik bleibt unter dem, was die Engine eigentlich könnte. Die Modellierung und Beleuchtung wirken teils steril, und gerade im Vergleich zu GT7 fehlt es an Feinheiten im Bild. Trotzdem ist die technische Basis robust genug, um mit Updates deutlich zuzulegen.

Jetzt die Frage, die sich viele stellen. Ist Project Motor Racing eine Alternative zu Gran Turismo 7 oder dem kürzlich veröffentlichten Rennsport? Ja und nein. GT7 ist das bessere Gesamtpaket, keine Frage. Mehr Atmosphäre, mehr Inhalt, breitere Zielgruppe. Rennsport wirkt zwar auf den ersten Moment moderner und hat optisch mehr Präsenz. Project Motor Racing dagegen fühlt sich an wie ein Werkzeug für Fahrer. Für Leute, die wirklich fahren wollen, nicht spielen. Es ist rauer, ehrlicher, fordernder und in vielen Punkten kompromisslos. Und genau das macht es interessant. Wenn man es akzeptiert.
Fazit:
Project Motor Racing ist ein Spiel, das man nicht einfach bewertet wie jedes andere. Es ist eine Entscheidung. Eine klare. Wenn du echtes Fahren willst, wenn du es liebst, an deinem Setup zu arbeiten, wenn du dich gerne in Details verbeisst, dann findest du hier etwas, das dich so schnell nicht wieder loslässt. Wenn du aber Atmosphäre brauchst, Emotionen, Präsentation und Unterhaltung, dann wirst du hier nicht glücklich. Für mich persönlich ist Project Motor Racing ein Spiel, das extrem starke Momente hat, aber bewusst auf vieles verzichtet, das andere Rennspiele auszeichnet. Genau deshalb hat es Charme. Es ist roh. Es ist ernst. Es ist anspruchsvoll. Und wenn du bereit bist, dich darauf einzulassen, kann es eines der intensivsten Sim Racing Erlebnisse sein, die man aktuell auf der Konsole bekommt.

Project Motor Racing ist für PC, PS5 und Xbox Series X|S erschienen. Wir haben das Spiel auf der PS5 getestet. Das Test-Muster stammt von , wofür wir uns herzlich bedanken!







