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The(G)net Review: Beyond: Two Souls

Autorenbild: Andy MeierAndy Meier

In den 90ern entstand eine neue Form des Computer-Spiels; der interaktive Film. So schnell wie das Genre zusammen mit der CD-Rom die Bildschirme eroberte, verschwand es auch wieder in der Versenkung. Mit Heavy Rain versuchte Quantic Dream der Spiele-Art neues Leben einzuhauchen – Beyond: Two Souls tritt in dessen Fussstapfen.


Beyond: Two Souls Test, Review, Testbericht.

Interaktive Filme waren immer umstritten. Da sind die Videospieler, welche eine vollständige Eingriffsmöglichkeit schätzen, sie geradezu benötigen um ein Spiel als solches wahr zu nehmen. Auf die Spitze mit Aktivitäten treiben es Open World Titel wie GTA. Doch mal ehrlich, wer kümmert sich auch nur eine Sekunde darum, ob der oberflächliche Hauptcharakter im Spiel xy den Löffel abgibt. Auch die meisten NPCs sterben nebensächlich. Oft wird der Tod zum Selbstzweck, um die darauffolgende Rache zu rechtfertigen. Die Beziehung zum Hauptcharakter kommt kaum zur Geltung.


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Open World Spiele ermöglichen nur schwer eine tiefgründige Charakterdarstellung. Das wird aber auch nicht gewünscht. Möglicherweise möchte man sich nicht weiter mit dem Tod von unzähligen Pixel und Polygon Gestalten beschäftigen oder mit zwischenmenschlichen Beziehungen jener. Tut man es doch, entsteht die Möglichkeit eines emotionalen Bezuges zur Haupt- wie auch den Nebenfiguren, wie das bei einem Action-Titel von der Stange kaum möglich ist. Denn dessen Fokus liegt, wie das Genre schon sagt, auf Action. Würde man Schuld- oder Grundsatzfragen integrieren, dürften dann noch ohne weiteres Kriegsgegner oder feindliche Spione über den Haufen geschossen werden? Moral-Fragen werden nur selten in Videospiele integriert, oft auch zurecht. Umso erfreulicher ist es aber doch, wenn ein Spiel mehr versucht zu sein und dem Spieler Entscheidungsfreiheiten offenbart sowie das Leben der Hauptfigur auf einer emotionalen Ebene versucht näher zu bringen.


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Beyond: Two Souls ist kein Spiel im herkömmlichen Sinne. Zwar haben die Entwickler die eine oder andere Action Sequenz integriert, richtig frei ist Jodie aber nie in ihren Bewegungen. Egal ob auf dem Motorrad auf dunklen Strassen, einem Pferd im Südwesten der Staaten oder auf dem Weg durch dunkle Laborkorridore, die Aktionen sind genau wie der Pfad eingeschränkt. Mittels der beiden Analogsticks wird mit vom Spiel mitgeteilten Andockpunkte interagiert. Und dennoch: Obschon die direkte Handlungsfähigkeit des Spielers limitiert sind, entsteht eine enorm dichte Atmosphäre, untermalt mit einer packenden Anspannung oder rührenden Momenten. Der Verlauf des Spiels wühlt sich durch das Leben von Jodie, in nicht chronologischer Reihenfolge. Diverse Augenblicke im Leben der jungen Frau bzw. des Mädchens oder Teenagers werden beleuchtet. Jene Momente werden in Form eines Thrillers, Horrorfilms oder einer Romanze präsentiert. Dadurch sprechen das Spiel und dessen Protagonisten immer wieder andere Gefühlslagen des Spielers an und lassen die Geschehnisse stets interessant bleiben. Im Gross dreht sich die Story um eine an Jodie gebundene, unsichtbare Existenz, die ihr Leben in Trümmer reisst – einfach weil Jodie dadurch anders ist, oder nicht normal.


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Bei Beyond: Two Souls ist der Weg das Ziel. Die einzelnen erzählten Lebensabschnitte führen die Geschichte wie ein grosses Puzzle zusammen, sind in sich aber abgeschlossene Bereiche. Selbstverständlich muss man sich bewusst machen, dass es sich hier erzähltechnisch weder um „Schindlers Liste“ noch „die Verurteilten“ handelt. Eben so wenig erreicht die Präsentation Roland Emmerich Niveau, für ein Videospiel – und das ist es immer noch, bewegt sich BTS aber auf einem insgesamt hohen Level. Audiovisuell überzeugt der Titel insbesondere durch fantastische und vor allem glaubhafte Gesichter.


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Die Steuerung durch die verschiedenen Bereiche ist leider wie schon in Heavy Rain nicht perfekt, das stört aber nur selten und in Kombination mit unübersichtlichen Kameraperspektiven. Durch die stets angekettete Existenz und den dadurch nicht zu verleugnenden Sci-Fi Einschlag, erwartet Jodie nicht nur Gefühlsduselei sondern auch die ein oder andere Flucht und Kampfeinlagen, für Abwechslung wird durch eine über die gesamte Spielzeit hinweg gelungene Mischung der Spielszenen gesorgt. Zusätzlich präsentiert sich das Spiel immer wieder aus dem Blickwinkel jenes mysteriösen Wesens und lässt den Spieler einige Mini-Rätsel damit lösen oder fiese Monster bekämpfen. Beyond: Two Souls punktet aber ganz klar in den ruhigen Momenten, in den Gesprächen mit den Menschen, welche sich in Jodies Lebensabschnitten bewegen sowie deren Schicksaalsschlägen.



Fazit:

Wie unschwer aus dem Text herauszulesen ist: Ich bin ein bekennender Fan des interaktiven Films. Beyond: Two Souls schafft genau wie Heavy Rain etwas, was nur wenige Spiele bewältigen. Und genau das ist es auch, was viele Spieler nicht wollen. Denn um dieses Ziel zu erreichen, die emotionale Glaubwürdigkeit, eine Bindung an die Charaktere, wird auf viel „spielen“ verzichtet. Dennoch ist das Spiel kein Film, man fühlt sich – wie man so schön sagt – mitten drin, statt nur dabei. Manchmal sind die Entscheidungsfreiheiten erfreulich, beispielsweise einen gefährlich anmutenden Schauplatz schlicht zu verlassen. Dadurch werden ganze Spielsequenzen umgangen. Ein andermal wünscht man sich genau jene Entscheidungsfreiheiten zurück, denn um den roten Faden in der Geschichte zu sichern, sind diese nicht immer gewährleistet. Das ist auch der Punkt, wo man dem Spiel die grössten Kritikpunkte ankreiden darf. Ansonsten ist Quantic Dream hier ein würdiger Nachfolger zu Heavy Rain geglückt, der sich insgesamt besser steuert aber eine weniger konsequente Story aufzuweisen hat – dadurch aber ein Plus an Abwechslung bietet. PlayStation 3 Besitzer, die auch mit wenig Aktivitätsdrang an ein Videospiel herangehen können und Fans von Adventures sowie ruhigeren, cineastischeren Spielen, freuen sich auf ein gelungenes und leider äusserst selten anzufindendes Meisterwerk.


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