The(G)net Review: Double Dragon Revive
- Sascha Böhme
- vor 6 Stunden
- 4 Min. Lesezeit
Ein Name wie Double Dragon weckt bei Retro-Fans sofort Bilder von verrauchten Spielhallen und der goldenen Ära der Couch-KoOp-Kultur. Revive, entwickelt von Yuke’s und veröffentlicht von Arc System Works, will nichts weniger, als den Beat’em Up-Klassiker in die Moderne prügeln. Und obwohl es dabei ein paar ordentliche Treffer landet, geht’s am Ende doch ziemlich benommen in die Ecke.

Bevor ich überhaupt loslegte, musste ich meine Erwartungen auf ein realistisches Minimum herunterdrehen. Schon die Trailer liessen im Vorfeld vermuten, dass das hier kein zweites Streets of Rage 4 werden würde. Aber hey, vielleicht wenigstens ein solides Beat’em Up mit ein bisschen 80s-Spirit und ein paar spassigen Kloppereien, oder? Nicht ganz. Yuke’s serviert ein Spiel, das sich anfühlt, als wäre es auf halber Strecke zwischen 2006 und einem Early-Access-Titel steckengeblieben.

Der erste Eindruck täuscht: Die animierten Standbilder der Zwischensequenzen sind tatsächlich schick gemacht. Farbenfroh und dynamisch auch das Intro. Doch sobald man die erste Stage betritt, fällt die Fassade krachend in sich zusammen. Willkommen in der 3D-Monotonie, wo jede Gasse gleich aussieht und jeder Gegner aus dem gleichen Baukasten gefallen ist. Das Ganze wirkt steril, leer und seltsam leblos.

Die Steuerung? Ein Paradebeispiel dafür, wie man „modern“ mit „umständlich“ verwechselt. Die Bewegung in acht Richtungen klingt auf dem Papier gut, sorgt in der Praxis aber für pure Orientierungslosigkeit. Schläge gehen oft daneben. Blocken funktioniert nur sporadisch und Ausweichrollen sind ein Glücksspiel, was alles an einer spürbaren Verzögerung liegt, der man erstmal Herr werden will. Trotzdem ist das Kampfsystem kein Totalausfall: Yuke’s verpasst den Fights mehr Tiefe als erwartet. Jeder Hieb hat Gewicht, Kombos gehen flüssig von der Hand, und wer die Umgebung clever nutzt, schickt Gegner per Tritt durch Fenster oder direkt in den Müllcontainer. Diese taktische Komponente sorgt für angenehme Abwechslung im sonst klassischen Button-Mashing-Alltag. Auch Spezialangriffe, Rüstungsbrecher und situative Würfe bringen etwas Würze ins altbekannte Brawler-Rezept.

Die spielerischen Unterschiede zwischen den vier spielbaren Charakteren sind spürbar. Billy und Jimmy sind Allrounder mit coolen Punches und Kicks, Marian die flinke Akrobatin mit stylischen Moves und Neuzugang Yagyu Ranzo heizt Gegnern mit Schwertern, Shuriken und Feuer-Moves ein. Das Treffer-Feedback ist solide, Schläge haben Wucht, und wer sich Mühe gibt, kann sogar ein paar nette Kombos aneinanderreihen. Doch die Euphorie verfliegt schnell, wenn man merkt, dass man die Hälfte des Spiels mit denselben Moves kämpft – gegen dieselben Gegnertypen – in denselben Umgebungen.

Gameplayseitig versucht Double Dragon Revive klassische Tugenden zu reanimieren: Nahkampf, Griffe, Spezialangriffe, Wurfmechaniken. Eigentlich ist alles da, was ein gutes Beat'em Up ausmacht. In der Realität aber wirkt es hölzern, repetitiv und erstaunlich l(i)eblos. Hinzu kommt ein seltsam unbalanciertes Tempo: Manche Level ziehen sich endlos hin, andere sind nach zwei Minuten vorbei. In den langen Abschnitten passiert kaum etwas Spannendes, ausser dass man denselben fünf Gegnern immer wieder die Kauleiste neu sortiert.

Besonders absurd wird’s bei den Bossen. Die sind weniger „episch“ und mehr „designt, um dich absichtlich zu nerven“. Da ist einer, der dich permanent durch die Gegend schleudert, während brennende Fässer im Weg liegen, die dich sofort in Brand stecken und zu Boden werfen. Ein anderer rennt unkontrolliert durch die Arena, während Feuer aus den Wänden schiesst. Anspruchsvoll? Nein. Einfach nur frustrierend. Auf Stufe "Easy" ist dann plötzlich alles viel zu einfach.

Und dann wäre da noch die Story. Nach einem Atomkrieg wird die Welt von Gangs beherrscht, Marian wird entführt – schon wieder – und Billy und Jimmy ziehen los, um sie zu retten. Klingt klassisch, könnte sogar charmant sein, wenn die Dialoge nicht aus der Feder eines gelangweilten Chatbots stammen würden. Die Zwischensequenzen sehen zwar hübsch aus, aber das pseudo-tiefsinnige Gelaber über Ehre, Rache und den „Sosetsuken-Kampfstil“ sorgte bei mir oft für unfreiwillige Lacher.

Optisch geht das Spiel eigene Wege: Statt stilisierter Pixeloptik gibt's in Revive 3D-Charaktere in einer verwaschenen Postapokalypse. Nett gemeint, aber der Stil wirkt irgendwie generisch. Dafür punktet der Soundtrack: Neu interpretierte Retro-Tracks schmettern direkt in die Nostalgie-Zone und machen klar, wo das Herz des Spiels schlägt.

Nach drei bis vier Stunden ist der Abspann da und mit ihm die Erkenntnis, dass man eigentlich nichts grossartiges erlebt hat. Keine erinnerungswürdigen Bossfights, keine ikonischen Szenen, keine Emotion. Es gibt zwar zusätzliche Mini-Games und ein paar Episoden, die etwas Hintergrundwissen über Nebenfiguren liefern sollen, aber ehrlich: Wer das durchspielt, braucht mehr Durchhaltevermögen als ein Souls-Spieler auf Entzug. Schön ist, dass diesmal wenigstens Online- und Offline-KoOp-Modi mit von der Partie sind.
Fazit:
Der Drache schläft. Yuke’s wollte offenbar eine Hommage schaffen, hat aber irgendwo zwischen Nostalgie, Ideenlosigkeit und generischer 3D-Optik den Weg verloren. Die Kämpfe werden schnell langweilig, die Levels haben kein Herz, und den Bossen fehlt die Würze. Selbst Hardcore-Fans dürften hier nach einer halben Stunde den Controller beiseitelegen und sich wieder Streets of Rage 4 widmen. Unterm Strich ist Double Dragon Revive kein Totalausfall, aber auch nicht die versprochene Wiedergeburt. Eher eine lauwarme Bluttransfusion: genug, um das Nostalgiker-Herz kurz aufleben zu lassen, aber zu wenig, um eine neue Ära einzuläuten. Wer einfach nur Bock auf ein paar gepflegte Fausthiebe mit Retro-Garantie hat – bitte schön. Alle anderen warten lieber auf MARVEL Cosmic Invasion.

Double Dragon Revive ist für PC, PS5, Xbox Series X|S, Switch und Switch 2 erhältlich. Wir haben uns das Spiel selbst gekauft und auf der PS5 Pro getestet.







