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The(G)net Review: Life Is Strange: True Colors

Nach 17 Monaten Entwicklungszeit in Isolation und unter dem Druck und Zwang des Coronavirus, hat Deck Nine Studios ihr neustes Projekt doch noch vollendet. Und während sich die Story des Vorgängers gut in den Rahmen der bestehenden Geschichte einfügt, ist Life is Strange: True Colors doch ein komplett eigenständiges Spiel.


Life Is Strange True Colors Review Test PS5 Xbox Series

Die Handlung von Life is Strange: True Colors dreht sich um Alexandra und Gabe Chen, ein Geschwisterpaar, das nach dem Tod der Mutter und dem Weggang des Vaters vom Jugendamt getrennt und so zum gesellschaftlichen Aussenseiter wird. Der ältere Bruder wird wegen Autodiebstahls verurteilt, während die kleine Alex durch verschiedene Pflegeheime wandert. Damals entdeckte Alexandra ihr geheimes Talent, die Empathie. Ihre Fähigkeit visualisiert die Emotionen und Gefühle der Menschen, was sich in farblich unterschiedlichen Auren darstellt. Dies nutzt sie geschickt, um Konflikte zu lösen oder Menschen aus tiefen Krisen zu führen. Mit dieser Gabe und einer grossen Umhängetasche bewaffnet, macht sie sich auf den Weg in die kleine Bergbaustadt Haven Springs, zu ihrem Bruder Gabe. Doch ihr beschauliches und glückliches Leben im amerikanischen Outback, das vollständig vom radioaktiven Erzabbau eines allwissenden Megakonzerns abhängig ist, wird durch eine Tragödie unerwartet unterbrochen. Nun versucht Alex zusammen mit Ryan, dem besten Freund ihres Bruders, und Steph, einer lokalen Radiomoderatorin, den Ursachen und den dahinterliegenden Wahrheiten auf die Spur zu kommen.


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Auf ihrem Weg hilft Alex den Einwohnern der Stadt bei der Bewältigung emotionaler Probleme und Sorgen, indem sie an deren Leben teilnimmt. Die Fähigkeit Auren zu lesen liefert dabei wertvolle Hilfen wenn es darum geht, Gegenstände, Personen oder Tiere ausfindig zu machen oder psychische Lasten zu tragen. Untermalt wird die Reise durch rockige Musik der Jahrhundertwende und manchmal nimmt Alex sogar selbst die Gitarre in die Hand, um ein Cover von Radiohead zum Besten zu geben. Erwähnenswert ist auch eine unglaublich cool inszenierte Szene mit einer Anspielung auf Eminem und das Musikvideo von Daido.


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Neben dem Plaudern, Erforschen und Helfen in der Not, kann Alex an optionalen Aktivitäten teilnehmen - z.B. Donkey Kong oder Arkanoid spielen, das Haus putzen, das Geschirr abwaschen oder Unkraut jäten. Oder sie zieht sich einfach um, wobei die Outfits in den meisten Fällen aus einer Schlabberhose und einem Kapuzenpullover besteht. Ein kurzer Rock mit einem engen Tank-Top wird nur an Frühlingstagen Pflicht, wenn die Mädchen ihre(n) Auserwählte(n) Rosen überreichen.


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Klingt herrlich kitschig, ist es auch. An diesem Punkt dürfen wir die romantische Ausrichtung von Alex festlegen. Die Beziehungen zu Steph oder Ryan werden aber kaum ausgearbeitet und bis auf einen kurzen Kuss ist nicht viel drin. Emotionale Bindungen und persönliche Momente fehlen. Jegliche Intimität wird von flachen Witzen und komischen bis unangenehmen Situationen überspielt. Partnerschaften haben nur kosmetische Auswirkungen auf das Ende der Geschichte. Allerdings legen die Autoren den Schwerpunkt eindeutig auf die lesbische Beziehung mit Steph und fügen die heterosexuelle Romanze mit Ryan eher als optionales Extra hinzu. Aber was will man erwarten von einer Zeit, in der eine neue Art von Ethik und politische Korrektheit regiert?


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Zusätzlich zu den bereits erwähnten Intermezzos versuchen die Autoren zumindest das Gameplay, das sich auf Reden und Aura-Lesen beschränkt, mit neuen Mechaniken aufzufrischen. Ein ganzes Kapitel ist dem Roleplaying gewidmet, was im Zusammenhang mit Eminems Einlage als einer der Höhepunkte von True Colors bezeichnet werden darf. Die rundenbasierten Auseinandersetzungen erinnern dank der ausgeprägten Vorstellungskraft der Charaktere häufig an farbenfrohe Fantasy-Kämpfe. Hier sind die grafischen Verbesserungen mit den hübschen Lichteffekten und Reflektionen dafür am deutlichsten. Die Gesichtsanimationen, die Spiegelungen in Alex' Brille und die filmreifen Zwischensequenzen verdienen sich die meisten Pluspunkte. True Colors ist in dieser Hinsicht sicher eines der schönsten und technisch fortschrittlichsten Spiele des Genres. Freilich ist diese Spiele-Welt nicht vor matschigen Texturen, detailarmen Wänden oder schlecht ausgearbeiteten Nebenfiguren gefeit, aber das sind sich Life Is Strange-Fans ja bereits von den Vorgängern gewohnt.


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Während die ersten vier Kapitel grosse Gefühle wecken und ein furioses Finale versprechen, wird der Zug der Erzählung im fünften Abschnitt von den Verfechtern der sozialen Gerechtigkeit zum Entgleisen gebracht. "Das unheimliche Geheimnis" entpuppt sich eher als lächerlich, ebenso wie die Ereignisse, die danach passieren. Ungeachtet dessen, ob uns die Stadtbewohner durch unser Tun und Lassen am Ende unterstützen oder eben nicht, haben die Entscheidungen während des Spiels auch keinen weiteren Einfluss auf dessen Ende. Und gerade das empfinde ich als zutiefst enttäuschend.



Fazit:

Life is Strange: True Colors hat eine sympathische Heldin mit einer spannenden Fähigkeit, deren Potenzial jedoch nur allzu schnell im Sande verläuft. Der interessante Plot verwandelt sich urplötzlich in einen albernen Witz, und denkwürdige Momente werden von hastig kreierten Nebenaktivitäten und flachen Charakteren torpediert. Keine richtigen Liebesbeziehungen, keine interessante Detektivarbeit und vor allem kein befriedigendes Ende. Dafür aber durchaus hip, modern und trendy! Ja, ich habe gerade beim Storytelling sehr viel mehr erwartet und auch irgendwie den Eindruck, als hätte das Spiel ursprünglich ein anderes Finale und Konzept, das man nur wenige Wochen vor der Veröffentlichung eilig über den Haufen schmiss. So verkam die zu Beginn durchaus interessante Geschichte zur lapidaren Twitter-Instagram-Fanfiction. Aber vielleicht bin ich ja einfach zu alt für sowas? Abgesehen davon ist True Colors sicherlich kein schlechtes Spiel, zumindest in den ersten vier der fünf Kapitel. Fans dürfen sich die Reise also gerne antun, sollten aber nicht allzu überrascht sein, wenn nach dem Abspann ein bitterer Nachgeschmack hängen bleibt.



Wir haben Life is Strange: True Colors selbst gekauft und auf einer Xbox Series X getestet. Das Spiel ist aber auch für PS4/5, Nintendo Switch, Xbox One und PC erhältlich.



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