The(G)net Review: Routine
- Sascha Böhme
- vor 10 Stunden
- 3 Min. Lesezeit
Nach 13 Jahren Entwicklungszeit liefert Lunar Software zwar nicht das erwartete Open-World-Monster, dafür aber ein kompaktes, messerscharf inszeniertes Horror-Erlebnis, das oft an Dead Space oder Alien Isolation erinnert. Dabei wirkt es wie ein verlorenes Sci-Fi-Horror-Tape aus der Videothek von 1983: Staubig, mysteriös, aber verdammt faszinierend.

In Routine ist Atmosphäre King und pure Mood-Magie: milchiges Mondlicht, Einkaufszonen mit seltsamem Glanz, enge Wohnmodule, kalte Technikflure, giftgrüne Beleuchtung, pechschwarze Tunnel, die aussehen, als hätte HR Giger dort seine Finger im Spiel gehabt: Alles wirkt sorgfältig gebaut und trägt zur Stimmung bei. Routine ist der seltene Fall, in dem Filmkorn und andere Video-Filter nicht wie ein verzweifelter "Ich-will-auch-Kino"-Effekt wirken, sondern wie eine Schicht kosmischer Patina. Der Stil hebt sich bewusst vom üblichen Sci-Fi-Schick ab: klobig, low-tech, unzuverlässig, aber dadurch glaubwürdig.

Der Protagonist ist ein namenloser Raumfahrtingenieur. Ein bodenständiger Antiheld, den man wohl am ehesten mit Isaac Clarke aus Dead Space vergleichen kann. Hier gibt es keine Waffenfantasien, keine heldenhaften One-Liner, nur dunkle Serverräume, defekte Sicherungen und allerlei mysteriöse Gerätschaften und Maschinen, die brummen wie ein übertakteter C64.

Und dann ist da dieses herrlich unförmige Wundertool: das C.A.T., das Cosmonaut Assistance Tool. Ein Gadget zwischen Plasma-Cutter, Alien-Bewegungsmelder und einer NASA-Kamera aus der Apollo-Ära. Es klickt, fiept, blockiert oft die Sicht und ist gleichzeitig das Herzstück des Spiels. Es sieht zwar aus wie eine Waffe, entpuppt sich aber hauptsächlich als Rätselwerkzeug, Scanner, Türöffner und Terminal-Interface. Etwas fummelig, ja, aber genau dadurch passt es perfekt zur retrofuturistischen Stimmung.

Dann betritt Type-05 die Bühne. Der Sicherheitsroboter wirkt, als hätte HAL 9000 heimlich Bodybuilding betrieben. Bald finden wir heraus, dass unser C.A.T. gegen diesen blechernen Albtraum absolut nichts ausrichtet. Die Auseinandersetzungen mit dem Metall-Hünen erinnern an gute, alte Resident Evil Nemesis Zeiten, gemischt mit einer Prise Alien Isolation. Jedes Zusammentreffen ist eine schweisstreibende Angelegenheit. Routine lässt uns nie mächtig wirken, eher wie jemand, der ständig flieht, improvisiert und hofft, nicht hinter der nächsten Ecke zersägt zu werden.

Die Grafik ist beeindruckend und die Mondbasis voller Details, die ihre eigene Geschichte erzählen. Routine verzichtet auf klassische Missionsmarker oder auffällige Wegweiser. Stattdessen setzt es auf eine sehr physische Form des Erkundens: E-Mails, Diashows, Audiologs. Es verlangt vom Spieler aufmerksam zu sein, genauer hinzusehen. Das mag nicht jedermanns Sache sein, aber wer Hell Is Us mochte, wird diese Art der Informationsbeschaffung lieben.

Die Rätsel sind bewusst eher simpel gehalten, aber psychologisch hinterhältig. Routine fordert weniger unser Hirn als unsere Nerven: Unter Dauerstress wirken selbst einfache Aufgaben wie Quantenphysik. Jedes Terminal, jeder Bildschirm, jede E-Mail zwingt uns, innezuhalten, während irgendwo hinter uns ein Geräusch durch die Dunkelheit hallt. Der Tod ist selten das Problem. Die Angst vor ihm schon. Jump Scares sind eher selten, denn was Routine wirklich auszeichnet, ist seine Zurückhaltung. Es weiss, wann es leise sein muss und wann die Vorstellungskraft des Spielers schlimmer ist als jeder Schockmoment.

Trotz allem Horror gönnt sich Routine immer wieder kleine Momente absurden Humors. Eine Arcade-Maschine namens Gunshow? Cool! Ein freundlicher Serviceroboter, der uns anlächelt? Putzig! Diese Welt lebt, selbst wenn sie halb tot wirkt. Die Story selbst bleibt gradlinig und wenig überraschend. Sowas wie Alien vs. 2001, mit einem Hauch Bio-Horror. Routine erzählt seine Geschichte nicht mit Worten, sondern mit Räumen, mit Maschinen, mit Dingen wie Audio-Logs, E-Mails oder zurückgelassenen Gegenständen.

Performance-Probleme gab es kaum. Komplikationen wie bei Unreal Engine 5 Spielen üblich, blieben erstaunlicherweise aus. Abgesehen von gelegentlichen Glitches, die eher unfreiwillig komisch waren als störend, hinterlässt das Spiel schon beim Release technisch einen sehr sauberen Eindruck. Der düstere Soundtrack von Mick Gordon (DOOM, Wolfenstein) passt ebenfalls wie die Faust aufs Auge.
Fazit:
Lunar Software hatte uns vor 13 Jahren (!) eine epische Sci-Fi Horror Sandbox versprochen. Daraus geworden ist letztendlich nichts. Routine bleibt linear, klein, konzentriert, aber dafür kompromisslos atmosphärisch. Weniger als zehn Stunden, aber jede Minute mit der Präzision eines Schweizer Uhrwerks. Was jedoch polarisieren wird, ist der völlige Verzicht auf klare Missionshinweise. Das Spiel verlangt viel Geduld, volle Aufmerksamkeit und eine Offenheit für das Ungewisse. Legt besser schonmal Stift und Notizblock bereit, denn wer direktiv geführte Spiele mag, wird fluchen und öfters mal feststecken. Wer Atmosphäre und Entdeckung liebt, wird es hingegen feiern. Routine ist ein Sci-Fi-Horror-Kleinod, das lange nach dem Abspann im Kopf nachhallt. Schön, verstörend und ziemlich intensiv.

Routine ist als Download für PC, PS5, Xbox Series X|S und im Game Pass erschienen. Wir haben das Spiel auf dem PC getestet. Das Test-Muster stammt von Raw Fury, wofür wir uns herzlich bedanken!







