Bock auf Resident Evil im modernen Look, aber mit den alten Mechaniken? Tormented Souls vereint feste Kameraperspektiven, altmodische Steuerung und zeitgemässe Optik mit einem kräftigen Schuss Horror.
Es gibt gute Tage, es gibt schlechte Tage und solche, da wäre man besser gleich im Bett geblieben. Diesen Rat hätte auch Caroline Walker, die Heldin unseres Survival Horror Trips, besser befolgen sollen. Doch stattdessen erwacht sie, kurz nachdem sie in einem mysteriösen Krankenhaus während ihrer Spurensuche nach zwei verschollenen Kindern hinterrücks niedergeschlagen wurde, splitterfasernackt in einer Badewanne. Im Mund steckt ein Plastikrohr, das rechte Auge mit Verband umwickelt und natürlich darf eine temporäre Amnesie nicht fehlen.
Tormented Souls haut in den ersten Minuten richtig auf den Putz. Nachdem sich Caroline gefangen hat und wieder in ihre Kleider geschlüpft ist, biegt schon der nächste Schocker um die Ecke. Als sie den Kopfverband abnimmt, bemerkt sie erst, dass ihr das rechte Auge entnommen wurde. Andere hätten sich spätestens jetzt die Kugel gegeben oder sich in der Badewanne ertränkt, doch Caroline ist ein harter Brocken und beginnt auf eigene Faust das unheimliche Hospital zu erkunden.
Natürlich sind zu Beginn die meisten Türen verschlossen und wir rätseln uns vorerst durch die ersten paar Abschnitte. Caroline findet Notizen, die meistens mehr oder weniger kryptisch die vielen Rätselaufgaben erklären oder sogar die Lösung anbieten. Wer in Tormented Souls nicht jeden Papierfetzen genau untersucht und liest, kommt nicht weit. Im Item Menu klickt ihr per Zeiger auf den gewünschten Gegenstand, um mit ihm zu interagieren. Dabei sind Fundstücke in Ressourcen, Items und Notizen unterteilt.
Wie beim grossen Bruder von Capcom können gefundene Objekte kombiniert werden. Spritzen füllen unsere Lebensenergie auf und Filmrollen dienen als Speicherslot. Und auch hier sind die Anzahl an Saves begrenzt, wie bei den Farbbändern im Ur-Resident Evil. Wildes Speichern ist nicht erlaubt.
Wie schon erwähnt steuert ihr Caroline durch die vorgerenderten Zimmer immer in Blickrichtung, wobei die Kamera gelegentlich ein wenig mit schwenkt, jedoch generell an einer fixen Position hängt. Nachdem sie dem ersten Spitzbuben, einem ekligen Typen im Rollstuhl, entkommt und sich in ein Zimmer flüchtet, trifft sie auf den Priester. Dieser freundliche Gottesdiener versorgt euch mit eine paar guten Ratschlägen und weil er heute so gut drauf ist, beschenkt er euch mit einer Nagelpistole – später wird euer Arsenal mit unterschiedlichen Waffen aufgepeppt. Auf den Tipp hin, dass ihr vielleicht die Bibliothek untersuchen sollt, verlässt ihr mit neuer Bewaffnung den Vatikanangestellten und trefft ein paar Augenblicke später auf die nächsten mordlustigen Halunken.
Dank des Auto-Aims pumpen wir die fiesen Angreifer mit ein paar Nägeln voll, weichen per Tastenkombo geschickt aus und freuen uns über den nächsten Speicherpunkt. Solltet ihr einmal das zeitliche segnen, geht's direkt wieder zum letzten Spielstand zurück. Nix da mit Continues. Da kann schon mal eine halbe Stunde umsonst gewesen sein. Regelmässig sammelt ihr Levelkarten von den unterschiedlichen Stockwerken ein. Jedoch wird dort weder eure Position angezeigt, noch wissen wir, ob wir schon mal in einem Raum waren oder nicht. Ein durchschnittlicher Krankenhausaufenthalt dauert in Tormented Souls im Schnitt zwischen 12 bis 14 Stunden.
Fazit:
Nach den ersten Minuten war ich beinahe erschlagen von der unerwarteten Härte des Spieleinstiegs. Und genau so macht man dass, wenn man den verwöhnten Videospieltester bei Stange halten will. Unglücklicherweise schaltet Tormented Souls nach dem grandiosen Opener spieltechnisch ein paar Gänge zurück. Die ersten paar Rätsel mache ich noch munter mit, bin aber sichtlich genervt, dass ich mich durch den ganzen Papierkram ackern muss, um auf Passwörter oder Code-Kombinationen zu stossen. Ich will ein Game spielen und kein Buch lesen! Gefühlt verbringe ich 40% der Zeit damit, mich durch Akten zu wühlen. Unverständlich ist auch die holprige Menüführung. Will ich vom Feuerzeug zur Pistole wechseln, muss ich umständlich ins Inventar und jedes Mal den Nagler anwählen. Es ist ja nicht so, dass der Dualsense über zu wenige Tasten verfügt. Und genau solche kleinen, aber unnötigen Stolpersteine vermiesen mir den Spass am Erkunden. Ich kann mich nur wiederholen: Da sitzen ein paar Damen und Herren mit Hingabe an der Workstation um ihr „Traumspiel“ zu verwirklichen und machen dann auf der Zielgeraden schlapp. Liebe Entwickler, lasst eure Spiele von externen Profis testen! Ich ärgere mich immer wieder, wenn ich wegen so einer technischen Lappalie, die den Spielfluss unnötig zum Stocken bringt, kostbare Wertungspunkte abziehen muss.
Denn auch wenn ich heute mit fixen Kamerapositionen und der altertümlichen Steuerung auf Kriegsfuss stehe, technisch und im audiovisuellen Bereich macht Carolines Überlebenskampf durchaus Laune. Das Horror-Hospital wurde mit sehr viel Liebe zum Detail gestaltet. Die Freaks, die euch konstant nachjagen, sehen teilweise so abgefahren aus, dass ich trotz der steten Bedrohung öfters über die digitalen Unholde schmunzeln muss. Ist Resident Evil 1 in eurer Top Ten und jucken euch der etwas zähe Spielfluss nicht, dann kann ich euch Tormented Souls ans Herz legen. Dem Rest würde ich zuerst einmal die drei Resident Evil Remakes vorschlagen, bevor man sich mit der einäugigen Caroline durch die Gegner nagelt.
Unser Testmuster stammt vom Publisher PQube. Wir haben die PS5 Version von Tormented Souls getestet. Das Spiel ist aber auch für Xbox One / Series X|S (digital only!) und Nintendo Switch verfügbar.
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