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The(G)net Review: Mundaun

Knapp 300 Einwohner umfasst das kleine Schweizer Dorf Mundaun im bündnerischen Obersaxen. Kennt eigentlich kein Schwein - bis jetzt. Denn ab sofort gibt es "das Videospiel zum Dorf" - komplett mit rätoromanischer Sprachausgabe! Wir haben uns das folkloristische Horror-Adventure von Ein-Mann-Entwickler Michel Ziegler von Hidden Fields genauer angesehen.


Zu Beginn tuckert unser Held Curdin gut gelaunt mit dem Postauto durch die malerische Bergwelt des Bündnerlands. Doch statt satter Wiesen und grünen Tälern gibt sich das mysteriöse Alpendrama in kargem Schwarz-Weiss. Zusätzlich wurden sämtliche Items, Objekte und Charaktere mit handgezeichneten Texturen belegt. Für einen eigenwilligen Look ist also gesorgt.



An der Endstation angekommen, trifft Curdin auf die ausgebrannte Scheune seines Grossvaters. Gleich neben den Ruinen steht eine Staffel. Als er das Bild inspiziert, öffnet sich ein bizarres Portal und er wird ratzfatz reingezogen. Der alpenländische Alptraum kann beginnen. Warum das Grab des Opas leer ist und was es mit der Kapelle und dem Ziegenkopf auf sich hat, wird im Laufe der unheimlichen Story aufgelöst.



Curdin latscht oder sprintet in Egosicht durch die malerische Bergwelt, interagiert mit Schubladen, Türen und Schlössern und löst hauptsächlich kleine Knobeleien, um dem Geheimnis des Grossvaters auf die Schliche zu kommen. Springen oder Ducken kann Curdin nicht. Gefundene Items packt ihr ins Inventar und Infos verschwinden im kleinen Notizbuch, welches nicht nur die Ziele der Haupt- und Nebenmissionen auflistet, sondern des Öfteren auch hilfreiche Tipps für unterschiedliche Rätsel bereithält.



Schon früh akquiriert unser Held eine dreizackige Mistgabel, denn nachts wird Curdin von Strohmännern verfolgt. Zwar piekst ihr so die aufdringlichen Gegner zu Boden, wer ihnen aber entkommen will, versteckt sich in einem Heuhaufen oder joggt in sichere Entfernung und sucht dort Deckung, denn die Heutypen stehen nach ein paar Sekunden immer wieder auf. Erwischt euch einer der Verfolger, verwandelt ihr euch langsam in einen Strohknilch und bewegt euch nur noch in Zeitlupe. Gekämpft wird sowieso nur im Notfall. Wer hier Duelle mit fiesen Monstern erwartet als wäre er bei Resident Evil, ist im Genre falsch abgebogen.


Gelegentlich werdet ihr in kleinen Flashbacks in die Vergangenheit transportiert, in denen die Hintergrundstory des Grossvaters näher unter die Lupe genommen wird. Wem die Perspektive zu eng oder zu finster erscheint, passt im Optionsmenu das Sichtfeld an oder schraubt an der Helligkeit rum. Wer alle Rätsel auf Anhieb löst, kann mit 5 Stunden Spielzeit rechnen, realistischer sind aber eher 7 bis 9.



Fazit:

Als ich den ersten Screenshot von Mundaun sah dachte ich; Schau her, ein "Geissen Peter Simulator". Das ist es zum Glück nicht, dennoch hinterlässt mich die unheimliche Reise durchs Bündner Oberland mit gemischten Gefühlen. Fangen wir bei der Technik an. Die Grafik ist für ein solches Projekt ausreichend und dank der speziellen Optik verleihen die handgezeichneten Strukturen dem Spiel seinen eigenen Flair. Doch regelmässig aufpoppende Objekte schmälern das visuelle Vergnügen. Und ich glaube kaum, dass Mundaun so rechenintensiv ist, dass die PS5 nicht mitkommt. Nervig waren auch die ständig auftauchenden Interaktionsicons, deren Radius so eng ist, dass ich regelmässig 360° durch die Gegend zirkle, bis ich die richtige Position für den Prompt finde. Ein wenig mehr Grosszügigkeit hätte nicht geschadet - aber selbst bei grossen Titeln wie FF-Remake besteht ein ähnliches Problem. Im Laufe des Spiels sammelt ihr mit einem Vehikel Strohballen ein. Eine tolle Idee, nur dass mein Heulaster öfters irgendwo fest hing, es kein Vor oder Zurück gab und nur ein Neustart weiterhalf. Fragwürdig sind auch gewisse designtechnische Entscheidungen, wo ich z.B. um ein ganzes Haus laufen muss, weil eine imaginäre Wand oder irgendwelche lose verteilten Bäume den Durchgang zur anderen Seite blockieren. Im Audiobereich gibt es nichts zu meckern. Die Sounduntermalung passt und die rätoromanische Sprachausgabe kann man locker als Novum bezeichnen. Das mag man kreativ finden, aber für Gamer ausserhalb der Schweiz hätte Corbin auch Klingonisch oder Suaheli reden können.



Trotz den kleinen technischen Ungereimtheiten schafft es Mundaun mit dem simplen Spielprinzip die Motivation stets aufrecht zu halten. Manche Rätsel machen zwar nicht viel Sinn, aber selten steckt ihr irgendwo fest. Oft liegt die Lösung in der unmittelbaren Umgebung. Sehr angenehm ist auch das Schritt- und Lauftempo von Corbin. Von langen, zähen Joggereien bleiben wir verschont. Ich bin zwar ein Horrorfan, aber den meisten Grusel-Games kann ich nur ein müdes Lächeln abgewinnen. Mundaun hingegen schafft es, dieses beklemmende Gefühl der Unsicherheit perfekt zu vermitteln, ohne den Spieler ahnungslos in der Gegend rumstehen zu lassen oder künstlich aufgesetzt zu wirken. Mundaun ist ein grundsolider Indie Titel, der hier in der Schweiz zwar berechtigt den nationalen Bonus als Vorteil nutzt, im internationalen Vergleich dies aber kaum Auswirkungen haben wird. Das Werk aus dem Hause Hidden Fields ist nicht die Überraschung des Jahres, doch Hut ab vor der mutigen Entscheidung für so ein Nischen Game - und vor der einzigartigen "Zeichentrick-Optik". Die knapp 7 Stunden, in denen ich Opas Mysterium aufdeckte, waren gefüllt mit kleinen Überraschungen und regelmässigen Ahhh-Momenten. Ich hoffe, wir werden noch viel von Hidden Fields sehen und hören, denn Potential für weitere Projekte ist hier vorhanden.



Mundaun ist ausschliesslich digital für PlayStation 5, PlayStation 4, Xbox Series X|S, Xbox One und PC via Steam und im Epic Games Store erhältlich.

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